Freitag, 5. Oktober 2007

Friseusen und Busse

Enrico, der Italiener von nebenan, hat sich vergangene Woche die Haare schneiden lassen. Weil er meint, sein Clownsfrisur sei ein „Style“, ist er auch nicht zum Haircutter gegangen, sondern zum Hairstylisten. Der verlangte $30 plus Trinkgeld und hat ihm die Haare trotzdem ruiniert. (Obwohl ich finde, sie sehen genauso aus wie vorher.) Meine Friseuse will nur $12 Dollar, schneiden kann sie trotzdem nicht. Sie verpasst mir eine Art Topfschnitt. Dann muss ich eben eine Mütze tragen...

Ich bin ein Opfer des Bussystems geworden. Ich bin zu einem Sportgeschäft im Norden gefahren. Linie 7 bis zum „Fashion Square“-Einkaufszentrum, von da aus weiter mit der Linie 5 Richtung Wal-Mart. Als ich dann als stolzer Besitzer eines Footballs zurück will, ist schon nach 6 und Linie 5 fährt nicht mehr. Es dauert rund 2 Stunden bis ich wieder zurück bin. Aber mit meiner neuen ergonomischen Frisur war das nur halb so schwer.

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Meine Mitbewohner

Da stehe ich morgens auf und denk mir nichts böses. Etwas verschlafen sitze ich auf dem Bett, da fällt mir auf, wie sich wie von selbst ein Brotkrümel langsam über den Teppich bewegt. Eine Ameise kann ein Mehrfaches ihres eigenen Körpergewichts tragen. Als ich die Pfanne anhebe, die ich gestern Abend nach dem Essen auf den schmutzigen Teller gestellt habe, sehe ich, wie Dutzende Kameraden der kleinen Ameise versuchen, das zu beweisen.
Jetzt habe ich Ameisenfallen ausgelegt.

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Das Deutsche Haus

Ich werde relativ häufig gefragt, wie es in Deutschland so ist. Auch meine Mitbewohner wollten wissen, was eigentlich eine deutsche Bratwurst ausmacht oder ob wir wirklich so schnell fahren dürfen. Ich gebe dann immer Antwort, so gut ich kann – Botschafterrolle – das Thema hatte ich schon mal.
Also habe ich meinen Landsleuten hier vorgeschlagen, ob wir nicht einen „Deutschen Abend“ organisieren sollten. Mäßige Resonanz und letztlich der Vorschlag, dass wir einfach beim Oktoberfest ist 2 Wochen mithelfen könnten. Das wird vom Deutschen Haus und der German Society ausgerichtet. Heute soll es ein Vorbereitungstreffen geben.

Diedrich, neben Anna und mir der dritte Dortmunder hier, leitet für ein Jahr das Deutsche Haus und hat fürs Oktoberfest die Oberaufsicht. Ich platze mitten in seinen Konversationskurs. Rund ein Dutzend AmerikanerInnen sitzen am Tisch und erklären sich gegenseitig das Oktoberfest. Und weil ich dann neu in der Runde bin, sollen sie es nun mir erklären. Als schließlich Schweigen einsetzt, zeige ich mich interessiert. „Und... wart Ihr schon mal in Deutschland?“ Die eine war in Bremen, viele irgendwo in Süddeutschland, die eine lacht doof und meint, sie war schon öfters in Freiburg. Sie ist halt Deutsche. Es steht ihr nicht auf der Stirn.
Das Vorbereitungstreffen ist dann auch relativ schnell vorbei. Irgendwie brauchen die meine Hilfe nicht. Die wollen irgendeinen Kartoffelsalat machen (nach schwäbischem Rezept) und dazu Würstchen grillen. Das „Orga-Team“ hat alles fest im Griff, sie melden sich, wenn sie eine Aufgabe für mich haben.

Und weil heute auch der 14tägige Filmabend im Deutschen Haus ist, bleibe ich noch länger. „Lola rennt“ steht auf dem Programm. Der geht noch. In der Mehrheit zeigen sie hier aber „Programmkino-Filme“. Ich vermisse so ein bisschen die großen Klassiker deutschen Unterhaltungskinos: „Der Schuh des Manitu“ oder „Otto, der Au0erfriesische“. Das wären doch mal zwei Knüller, die auch unser Bild von Amerika schön karikieren.

Dienstag, 2. Oktober 2007

Echte Nazis

In meinem Kurs „Geschichte des Dokumentarfilms“ sehen wir heute Leni Riefenstahls Nazi-Propagandafilm „Triumph des Willens“. Für mich meine erste Begegnung mit unbearbeiteter Nazipropaganda. Viele der Bilder sind mir zwar bekannt, weil sie in unzähligen Dokus über Nazis verarbeitet worden sind. Aber die Primärquelle habe ich nie gesehen. In dem Film dokumentiert Leni Riefenstahl den Parteitag der NSDAP im Jahre 1934. Es gibt Aufmärsche und Blasmusik, Hitlerjungen und SA-Paraden, Fahneneide und Fackelmärsche. Und natürlich lange Ausschnitte aus Reden der diversen Nazi-Schergen, inklusive Hitler. Wobei mir auffällt, dass ich ihn bislang auch noch nie ungeschnitten gesehen habe.
Es ist kein Geheimnis, dass in den USA die Gesetze für Naziinsignien und Schriften nicht so strikt sind wie in Deutschland. Etwas verwundert war ich schon, dass auf der DVD-Hülle des Films ein Wehrmachtssoldat und ein großes, unübersehbares Hakenkreuz prangt. Vor einigen Monaten hat in Deutschland einer vor Gericht gestanden, weil er Anstecker mit durchgestrichenen Hakenkreuzen getragen hatte.

In der Diskussion im Kurs geht es – neben filmischen Elementen und der Frage Dokumentarfilm oder nicht – auch darum: Wie muss man die Arbeit von Leni Riefenstahl bewerten? Unter den Studenten ist ziemlicher Konsens, dass man Riefenstahl ja nun nicht unbedingt für ihre Arbeit verdammen sollte. Sie habe nun einmal in der Zeit gelebt und habe schlicht die Chance ergriffen einen Film zu machen, der (ungeachtet der Botschaft) bezüglich Schnitt, Kameraführung und Komposition neue Maßstäbe gesetzt hat. Prof. Drucker scheint etwas irritiert – um nicht zu sagen: Sie ist bestürzt. Vielleicht, so meinte sie, sei es diese Generation, die einfach etwas relaxter Sachen bewertet.

Montag, 1. Oktober 2007

Stehpinkler

Wir sind 6 Männer in unserem Apartment. Fünf von denen haben noch nie in einer eigenen Wohnung gelebt. Bisher hat also immer Muttern feucht nachgewischt, wenn mal was daneben ging. Ich weiß, unsere WG wird niemals so wohnlich aussehen, wie einige der Mädchen-WGs in der Nachbarschaft. Vielleicht werden wir auch nie diesen Urin-Geruch aus der Bude kriegen, der hier seit dem ersten Tag im Wohnzimmer hängt. Aber ich habe den Jungs einen Putzplan aufgedrückt.

3 mal im Semester muss nun jeder einmal die Putzlappen schwingen. Wir haben keinen Staubsauger oder Wischer, deshalb reden wir gar nicht erst darüber, die dicken Staubteppiche auf dem Boden nahe den Wänden wegzumachen. Alles, was zu tun ist,, den Müll rauszubringen, das Klo sauber zu machen, die Waschbecken zu putzen und den Abfluss in der Dusche zu reinigen. Dafür braucht man keine 15 Minuten.

Scott braucht dafür deutlich länger, dafür wischt er auch den Spiegel mit Kleenex ab. Mike verlässt sich lieber auf Desinfektionsspray und feuchte Tücher. Tyler drückt sich ein wenig (obwohl er derjenige ist, den wir alle im Verdacht haben, auf die Brille zu pinkeln und dann nicht nachzuwischen), bringt dafür aber den Müll raus. Damien putzte das Bad neulich für volle zwei Stunden, weil er auf den Knien die Kalkränder in der Dusche entfernt hat. Und Trevor machte diesen schrecklichen Fehler...

Ich habe zwei Putzschwämme gekauft und sie ins Badezimmer zur allgemeinen Benutzung gelegt. Einer ist fürs Klo, der andere für die Waschbecken. Damit man sie auseinander halten kann (denn sie sind beide rosa), habe ich sie beschriftet. Und weil ich das in der ersten Woche gemacht habe und kein Wörterbuch zur Hand hatte, steht auf den Schwämmen „Klo“ und „Bad“. Für mich einleuchtend. Trevor hat sie verwechselt. Ich sage es keinem und leihe mir Mikes Desinfektionsspray aus.

Sonntag, 30. September 2007

Picknick II

Und wieder gibt es ein Picknick, diesmal von Cliff Maxwell und Mary Bateman aus dem International Student Center.
Das Haus der Batemans liegt etwas außerhalb der Stadt mitten im Wald. Hinter dem Haus erstreckt sich eine Wiese, rund 500 Meter runter bis zu den Bäumen und einem kleines See. Von den über 100 Eingeladenen sind nur etwa 20 gekommen. Diesmal weniger asiatische Studenten, dafür mehr Franzosen. Der Effekt ist der gleiche: Große Gruppen aus dem selben Land sitzen immer zusammen und unterhalten sich unter sich in ihrer Sprache.
Ich komme mir weniger wie ein Gast vor als wie ein Kunde. Unterhaltungen mit den Gastgebern gibt es irgendwie nicht, sie setzen sich nicht dazu. Besonders Cliff Maxwell steht wie jedes Mal, wenn ich ihn sehe, etwas steif in der Gegend rum und lächelt. In seinem Facebook-Profil sagt er, er sei Buddhist. Vielleicht trainiert er deshalb dieses Grinsen...
Wir werden wie Kinder zum Spielen geschickt. Auf dem See steht ein Paddelboot, es liegen Angeln bereit, zudem Footballs, Fußbälle und Frisbees. Die wirft einer erst mal in den Baum. Und Scott, den ich in Ermangelung meines Buddys Laura wieder mitgenommen habe, zerlegt eine Angel.
Pappsatt geht es nach Hause. Die Sonne scheint noch, also setze ich mich raus und lese. Doch irgendwie ist mir langweilig, deshalb gehe ich nach kurzer Zeit wieder rein. In unserer Wohnung riecht es verbrannt. Es kommt aus meinem Zimmer. Ein Plakat war von der Wand gefallen und hatte sich auf meine Stehlampe gelegt, die ich angelassen hatte. Das Poster ist nun auf der einen Seite schon ganz verkokelt. Wäre ich länger weggewesen, hätte alles brennen können. Aber: Was der Fire-Marshall nicht weiß, macht ihn nicht heiß...

Samstag, 29. September 2007

Gewonnen!?

Zum ersten Mal findet ein Footballspiel am Abend statt, es wird also nicht so heiß werden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass Pittsburgh ein starker Gegner ist. Heute wird die ungewöhnlich lange Siegesserie von 3 Spielen zu Ende sein, das steht fest.
Umso größer ist die Überraschung, als die Cavaliers gleich im ersten Viertel mit 27-0 in Führung gehen. Und geradezu sprachlos sind die Zuschauer, als das Endergebnis schließlich 44-14 heißt. 4 Siege stehen inzwischen zu Buche, bei gerade einmal einer Niederlage. So unglaublich es klingt, aber in dieser Saison könnten die Cavaliers wirklich mal erfolgreich sein.

Freitag, 28. September 2007

Trinkspiele

Es gibt hier den Mythos, dass es für Alkohol in Deutschland keine Alterbeschränkung gebe. Alle bekommen immer einen ganz verklärten Blick, wenn sie von diesem Deutschland sprechen, von der besseren Welt hinter dem Horizont, wo es Alkohol für alle gibt. Und Autobahnen.
Mich schauen dann immer alle ganz ungläubig an, wenn ich sage, dass ich keine Trinkspiele kenne. Denn hier wird Alkoholtrinken immer mit irgendeiner Art Spiel verbunden.

Das populärste ist sicherlich Beer Pong. Dazu werden an den zwei Enden eines länglichen Tisches sechs Becher im Dreieck aufgestellt und halbvoll mit Bier gemacht. Auf jeder Seite des Tisches steht nun ein Team aus zwei Leuten, die versuchen, Tischtennisbälle in die Becher des anderen Teams zu werfen. Wird ein Becher getroffen, muss das gegnerische Team ihn austrinken. Offensichtlich ist dieses Spiel nicht dazu da, um schnell viel zu trinken. Es dauert ewig, bis alle Becher getroffen sind – und dann springt für jeden Spieler nicht mal ein Glas bei raus.

Donnerstag, 27. September 2007

Heiß-Kalt

Der Sommer hat noch kein bisschen an Kraft verloren. Es ist heiß und schwül. Trotzdem ist die Auswahl der richtigen Anziehsachen für den Tag recht kompliziert. Was man nämlich anziehen muss, hängt nicht nur von der Außentemperatur ab, sondern auch von den Kursräumen und der Länge der Kurse. Montags, Mittwochs und Freitags habe ich 50 Minuten im Großen Hörsaal in Wilson Hall. Da ist es einkalt, dafür aber nicht so lange. Dienstags bin ich in den Seminarräumen in der Clemons Library. Da ist es zwar nicht ganz so kalt, dafür dauert der eine Kurs aber zweieinhalb Stunden.
Die meisten Studenten entscheiden sich für Kleidung, die für draußen passt. Drinnen wird dann halt gefroren oder ein Pullover nur über die Arme gezogen (das verstehe wer will...). Ich – der ich ja immer friere – mache es eher andersherum. Ist aber auch nicht der Königsweg. So ist mir zwar draußen viel zu heiß, aber nach 2 Stunden Klimaanlage friere ich trotzdem.

Mittwoch, 26. September 2007

Office Hour

Die Midterm-Exams rücken näher. In 2 Wochen steht das erste an und ich bin ein bisschen nervös. Ich habe in meiner gesamten Uni-Laufbahn gerade mal vier Klausuren schreiben müssen. Die behandelten jeweils den Stoff mehrerer Semester, das war also immer stundenlange Klausuren mit wochenlanger Vorbereitung. Aber meine letzte liegt nun auch schon fast 3 Jahre zurück.

Ich gehe in die Sprechstunde von Craig Hayden, bei ihm habe ich den Kurs über Journalismus im Nahen Osten. Er hat gerade erst seinen PhD an der University of Southern California gemacht, dies ist sein erster Kurs. Prof. Hayden erwähnt jede Woche, wenn sie seine Sprechzeiten ändern oder er sie mal nicht anbieten kann. Und weil dann immer so viele interessierte Rückfragen kommen, war in mir der Eindruck entstanden, dass seine Sprechstunde rege besucht wird. Nach 4 Wochen Uni habe ich keine Ahnung, wo ich stehe. Also frage ich mal nach.

Er sitzt in seinem kleinen Büro zwischen allerhand unausgepackten Kisten, die Klimaanlage röhrt auf vollen Touren und er weiß eigentlich nicht, was er mir sagen soll. Mein Hausaufgabe von letzter Woche hat er noch nicht gelesen. Aber ich würde mich am Unterricht beteiligen und... „Vor kurzem haben Sie auch was ziemlich Intelligentes gesagt, irgendwas über Deutschland – ich weiß nicht mehr was, aber es war gut...“ Offensichtlich hat er vergessen, wie ich ebenfalls vor kurzem einfach mal irgendwas gesagt habe, nur um irgendwas zu sagen... Mir soll’s recht sein.
Was die Klausur angeht, ist er keine große Hilfe. Wenn ich aufpasse und die Texte lese, sollte es keine Probleme geben, die Klausur würde nicht so schwer. Das hatte ich in den übrigen Kursen auch zu hören bekommen.

Dienstag, 25. September 2007

Wahlfreiheit

Meine Sportschuhe haben ein Loch – auf der Oberseite. Als ich das bemerkte, fiel mir auf, dass die Treter inzwischen auch schon fast 4 Jahre alt sind. Die habe ich damals in Holland gekauft, seitdem habe ich keiner mehr in meiner Größe gefunden. In Charlottesville soll es einen Laden geben, der auch Schuhe in großen Größen hat. Ein Versuch ist es wert.

Tatsächlich enden die Standardgrößen auch hier zwei Nummern unter meiner. Doch der quirlige Verkäufer lässt nicht locker, durchsucht Regal um Regal und kommt schließlich mit drei Paaren in meiner Größe an. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals ein paar Schuhe für 35 EUR ($ 49,99) gekauft habe. Und ich kann man mich auch nicht erinnern, wann ich das letzte Mal zwischen verschiedenen Paaren wählen konnte. Das nenne ich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Montag, 24. September 2007

Creepy Christians

Die Christen hier sind echt auf zack, wenn es darum geht, neue Schäfchen für die Gemeinde zu gewinnen. Ich gehe über den Campus und denk mir nichts böses, da kommt dieses junge Paar mit Hund auf mich zu. Sie haben diesen Blick, den Touristen am Kölner Dom häufig haben, kurz bevor sie einen fragen, wo es denn hier zum Bahnhof geht. Sie sehen mich also etwas Hilfe suchend an und ich – guter Katholik, der ich ja nun mal bin – schaue zurück mit diesem Blick, der sagt: „Ich bin zwar auch nicht von hier, aber vielleicht kann ich ja trotzdem helfen...“

Dann schlagen sie zu: Ob ich nicht Lust hätte, am Sonntag in die Kirche St.-Nochwas zu kommen. Und als sie rausfinden, dass ich Deutscher bin, erzählen sie mir von einem Typen in ihrer Gemeinde, der mal von einem Deutschen Schäferhund gebissen worden ist und der ganz heiß darauf wäre, mich zu sehen.

Ich habe hier schon von Dutzenden verschiedenen Konfessionen gehört, das simple „Evangelisch“ vs. „Katholisch“ allerings noch nicht. Als ich meine Mitbewohner frage, wie viele Stilrichtungen sie kennen, dauert es sehr lange, bis wir alle beisammen haben. Der Unterschied, meint Mike, besteht vor allem im Essen. Die Methodisten bieten dabei das umfangreichste Angebot. Die erste Viertelstunde einer Messe sei eine Aufzählung all der „Free Food-Events“ der nächsten Tage. Als ich das letzte Mal in Deutschland in der Kirche war, gab es nur Oblaten. Aber wäre auch seltsam, wenn zur Eucharistie plötzlich halbe Hähnchen gereicht würden...

Sonntag, 23. September 2007

Picknick I

Mary Brown hat lange Jahre im International Student Center gearbeitet. Seit sie vor drei Jahren gestorben ist, laden ihr Mann und ihre Söhne jedes Jahr internationale Studenten auf ihre Farm zum Picknick ein.
Laura, mein „Buddy“, hat leider keine Zeit. Sie fährt jedes Wochenende zu ihren Eltern nach Hause und arbeitet da in einem Freizeitpark. Und weil sie im Ruderteam ist, hat sie unter der Woche eigentlich auch keine Zeit. Ich frage Scott, ob er mitkommen will. Ein Tag im Grünen und gratis Essen – da sagt er nicht nein.
Etwa 30 Minuten außerhalb von Charlottesville, inmitten grüner Wiesen, steht die kleine Farm. Sie wird nicht bewirtschaftet. Das Gebäude ist fast 200 Jahre alt und dient den Browns als Sommerferienhaus. Die Gute Nachricht ist: Mary Brown ist eines natürlichen Todes gestorben. Ihre Söhne sind schon erwachsen. Ich hatte etwas Sorge, kleine Jungs zu sehen, die beim Gedächtnis-Picknick für ihre Mutter anfangen zu weinen. Aber die schlechte Nachricht ist: Von den mehr als 100 Leuten, die eingeladen waren, haben nur rund 40 die Einladung angenommen. Einige werden vom Stress wohl aufgefressen, einige sind im Ramadan, ein paar haben wohl auch nicht verstanden, dass extra ein Bus bestellt worden ist. Das ist ein bisschen schade, denn die Browns haben sich ziemlich ins Zeug gelegt. Es ist massig zu Essen da, vor dem Haus stehen große Zelte mit Bänken und Tischen, hinter dem Haus steht eine Gruppe Dixie-Klos. Die kleine Gruppe wirkt etwas verloren auf den langen Bankreihen.

Die Browns-Söhne sind Zwillinge. Das hat mich etwas verwirrt. Der eine (oder war es der andere?) hat eine ziemlich interessante Karriere gehabt: Erst war er in der Friedensbewegung, ist dann nach in Indochina gegangen und hat doch die Geschichte der Region recherchiert. Nach seiner Rückkehr wurde er von einem Kongressabgeordneten abgeheuert, um als Experte für Südasien zu arbeiten. Und jetzt lebt er hier in Charlottesville.

Scott ist zum ersten Mal unter internationalen Studenten – und er ist beeindruckt. Er ist ein bisschen schüchtern und jetzt sprechen ihn wildfremde Leute an und tauschen Telefonnummern aus.

Ich habe ziemlich viel gegessen, zu viel wahrscheinlich. I can not more... Aber weil so viel da ist, müssen wir alle noch was mitnehmen. An mir bleibt eine Wagenrad-große Platte mit Tomaten und Mozarella hängen. In unserer Wohnung will die keiner, also schnappe ich mir am Abend ein paar Pappteller und klopfe an alle Türen im Wohnheim.

Samstag, 22. September 2007

American Football

Ein American Footballspiel dauert 4 x 15 Minuten – also dreieinhalb Stunden. Dazu gehört aber noch das „Tailgate“. Dieser urtypische amerikanische Brauch vereinigt die beiden Elemente, die die Kultur dieses Landes so sehr prägen: Barbecue und Autos. Also packen die Fans ihre Großstadtgeländewagen voll mit Grills, Sonnenschirmen, Stühlen und Kühltaschen, die größer sind als mein Kühlschrank. Und dann gibt es ein Picknick aus dem „tailgate“, der Heckklappe des Autos. Und jetzt erst wird mir als Europäer klar, warum Kleinwagen hier so einen schlechten Stand haben.

Mein Mitbewohner Mike ist leidenschaftlicher Footballfan. Seine Familie hat in der Nähe des Stadions einen Stellplatz auf dem Parkplatz der St. Marks Church gemietet. Hier treffen sich die Teshs alle zwei Wochen mit Freunden und Nachbarn und bereiten sich aufs Spiel vor. Mein Zitat des Tages bringt Mikes Vater als er Omeletts macht und dafür aufgeschlagene Eier aus dem Tetra-Pack nimmt: „Die schmecken viel besser als echte Eier!“

Allen Ankündigungen nach soll das Spiel gegen Georgia Tech das Ende der zwei Spiele währenden Siegesserie der Cavaliers werden. Zu gut haben die Fans noch die deutliche Niederlage im ersten Spiel vor drei Wochen im Gedächtnis. Und tatsächlich hat Georgia Tech schon nach wenigen Minuten den ersten Touchdown. Doch wer hätte geahnt, dass die Cavaliers daraufhin gleich drei hintereinander machen? 28-23 heißt es schließlich für UVA.
Hier sind ein paar Fotos vom Spiel. Leider werden das wohl die letzten sein, denn wie ich jetzt weiß: Es sind nur kleine Kameras im Stadion erlaubt. In Zukunft muss ich meine wohl zu Hause lassen.
Ich brauche dringend eine Lampe. Die kleine Funzel auf meinem Schreibtisch reicht beim besten Willen nicht. Als ich auf den Bus warte, hält ein Geländewagen neben mir. Zwei Männer aus New York fragen nach einem Restaurant, wo sie günstig und gut viel Fleisch essen können. Ich hatte mal von einem gehört, dass auf dem Weg zum Supermarkt liegt, also lass ich mich ein Stück mitnehmen. Doch dann wird es peinlich: Ich weiß, dass das Restaurant hier auf der Ausfallstraße Richtung Norden ist, aber ich kann es nicht finden. Also steige ich irgendwann kurz vor meinem Ziel aus und mache den beiden Mut: „Nur immer weiter nach Norden, das kommt schon noch...“ Würde mich echt mal interessieren, wie weit die letztlich gefahren sind.
Wenigstens bin ich sehr schnell sehr weit gekommen und finde eine bildhübsche Stehlampe für $10.

Freitag, 21. September 2007

Militärparade

In der Stadt, aus der ich komme, gibt es einen einzigen Soldaten, den Mann im Kreiswehrersatzamt. Hier laufen allenthalben Studenten in Wüstentarnuniform, Air-Force-Dress oder weißer Navy-Uniform über den Campus. Sie gehören zum „Reserve Officers’ Traing Corps“ (ROTC) der Universität. Gerade für Studenten aus finanziell schwächeren Familien ist das eine Möglichkeit, ihr Studium zu finanzieren. Nach dem Studium müssen sie eine zeitlang als Reserveoffiziere dienen, oder aber die halbe Zeit in den aktiven Dienst eintreten – sprich: in den Irak ziehen.
Ich bin in einer Welt groß geworden, in der die Kindergärtnerin eine Glockenstab als Waffe ansah und ich ihn deshalb beim Kinderkarneval abgeben musste. Soldaten, Krieg – alles bäh! Virginia ist Sitz der weltgrößten Marinebasis in Norfolk, dem größten US-Air-Force-Stützpunkt in Virginia Beach und alles in allem ein sehr konservativer Staat. Aber auch im außergewöhnlich liberalen Charlottesville hat das Militär keinen schlechten Ruf. Amerikaner haben nichts gegen Krieg, sie wollen ihn nur nicht verlieren.
Heute ist ein Gedenktag für die „Prisoners of War/Missing in Action“ (PoW/MiA), also für diejenigen, die nicht einmal tot nach Hause gekommen sind. Die ganze Nacht über hatte eine Ehrengarde im Amphitheater vor der Fahne patrouilliert, jetzt am Nachmittag gibt es eine Veteranen, Salutschüsse und Reden.

Kurz bevor es losgeht, spricht mich ein Kamerateam vom lokalen Sender NBC29 an. Die junge Journalistin will wissen, ob ich beim letzten Footballspiel im Stadion war und ob ich morgen auch hingehe. Dass ich nur geholpertes Englisch spreche, stört sie nicht. Also mache ich mit bei ihrer Umfrage.
Beim letzten Spiel war es unglaublich heiß, aber es gab nicht ausreichend Getränke zu kaufen – ob ich davon gehört habe. – Das hatte ich schon, es stand in der Zeitung.
Ob es denn morgen besser werden würde. – Keine Ahnung – Also noch mal: Ich fände das doch auch ganz schlimm, dass es nicht ausreichend Wasser gebe, oder? – Ich kann dazu nichts sagen, ich weiß es nur aus der Zeitung.
Sie lässt nicht locker. Aber: So billig kriegt sie ihre Antworten nicht!

Donnerstag, 20. September 2007

What’s it like to be a German?

Internationale Studenten wurden gesucht, ich hatte mich freiwillig gemeldet. Für was? Keine Ahnung!
Lisa Foster und ein älterer Mann mit Bart leiten einen Kurs über „World Culture and Politics“. Sie haben Menschen aus fremden Ländern eingeladen, damit die erzählen, wie es drüben ist. Neben mir sitzen eine Hong-Kong-Chinesin, eine „normale“ Chinesin, ein Franzose, ein Engländer, eine Haitianerin und ein Libanese.

Wir sollen erzählen, wer wie sind und wie es ist, aus unserem Land zu kommen. Der Libanese erzählt von dem Gemeinsinn, der allen Arabern innewohne, egal woher sie kämen. Die Hong-Kong-Chinesin sieht ihren Widerstand gegen China als gemeinschaftsstiftendes Element. Der Engländer, der Franzose, sie alle sprechen von Dingen, auf die ihre Nation stolz ist und was sie als Nation zusammenhält.

Ich kann mit der Frage nicht viel anfangen. Es ist nichts besonderes, aus Deutschland zu sein. In den Diskussionen in Deutschland sagen schlaue Leute immer, sie seien nicht stolz auf Deutschland (denn das wäre ja nicht ihr Verdienst), aber sie seien froh über Deutschlands Leistungen – wie die Verfassung oder den Rechtsstaat. Das versuche ich nun zu vermitteln. Aber eine Verfassung hat ja schließlich jeder.

Ich kann nichts aufzählen, was „uns“ von „den anderen“ unterscheidet. Hautfarbe? Sprache? Kultur? Wir sind eine Einwanderungsgesellschaft. Ich bin in dieser Runde der „Identitätslose“. Ich suche im Ausland keine anderen Deutschen, ich kann nicht sagen, was (jenseits der bekannten und falschen Klischees) typisch deutsch ist. Eine Studentin fragt mich, ob ich meine Nationalität verheimlichen will. Abgesehen davon, dass das mit diesem Akzent schwer sein dürfte – nein, aber es ist nicht das erste, das ich von mir erzähle. Denn vielleicht ist typisch deutsch, dass Deutschsein keine Rolle spielt. Ich mag, dass „wir“ nicht „wir“ sind.

Mittwoch, 19. September 2007

Werbung für Dortmund


Was ich hier mache ist ein Austausch-Programm. Das heißt, die Dortmunder Uni kann jedes Jahre genau so viele Leute hierher schicken, wie gleichzeitig Amerikaner von UVA nach Dortmund kommen. Das Akademische Auslandsamt hat mir und Anna, der anderen Studentin aus Dortmund, aufgetragen, auch ja genug Werbung zu machen.
Heute organisiert das International Student Center einen „Study Abroad Fair“, eine Art „Messe für Auslandsaufenthalte“. Wir haben uns für einen Stand angemeldet und erzählen Amerikanern von den Vorzügen der Uni Dortmund.

Tja... was soll man da erzählen?

Es gibt keinen logischen Grund, warum einer nach Dortmund kommen sollte. Es gibt keine Kurse in Englisch, sie müssen ein ganzes Jahr kommen und können nicht nur während der Sommerferien kommen – und Dortmund ist nicht halb so bekannt wie Berlin, Barcelona, Lyon, Paris und all der Quatsch.
Immerhin kann man innerhalb von 45 Minuten mit Bus und Bahn einen Ballungsraum von 9 Millionen Menschen durchqueren. Von den Autobahnen haben sie auch schon gehört und vom Bier. Das Wetter ist auch ein Pluspunkt, denn nach 7 Monaten Hitze wollen viele hier einfach nur Kälte. Die haben wir drüben genug.
Mit vielen Gratis-Süßigkeiten, einer Powerpoint-Präsentation und kleinen Videoclips über Dortmund, sammeln wir letztendlich eineinhalb Seiten mit Namen und e-mail-Adressen, die wir an die Uni Dortmund schicken können. Sie sind grundsätzlich interessiert, aber ich mache mir da nicht allzu viele Hoffnungen. Die Universität Jena bezahlt den Austauschstudenten sogar Geld, wenn sie kommen. Da hilft es auch nicht, dass es in Dortmund so eine familiäre Atmosphäre geben soll.

Dienstag, 18. September 2007

Nazis

Im Facebook gibt es eine Gruppe die heißt: „Daran erkennst Du, dass Du Deutscher bist“. Ein Punkt ist: „In Deiner Gegenwart fangen Leute immer an über Hitler und Nazis zu reden.“ Das ist wahr...

Ich sitze vor der Bibliothek und lese. Da komme ich ins Gespräch mit Eric, dem Japaner aus Kanada aus meinem Kurs über Journalismus im Nahen Osten. In der letzten Vorlesung gab es eine Diskussion darüber, dass arabische Journalisten in Bezug auf den Staat Israel keine objektiven Berichte mache. Denn beide Seiten abzubilden, hieße, eine falsche Meinung widerzugeben. Ich meinte daraufhin in der Diskussion, das sollte uns nicht so verwundern, auch im Westen gebe es schließlich Themen, bei denen wir – zurecht! – nicht beide Meinungen hören wollen, weil für uns die andere auf jeden Fall Unfug ist. Zum Beispiel verlangt keiner, dass wir Holocaust-Leugner zu Wort kommen lassen, weil wir uns über die Bewertung des Holocaust einig sind. Ein Mädchen aus Kuwait nuschelte daraufhin irgendwas, was ich nicht verstanden habe.
Eric fängt nun wieder damit an, er meint, das Mädchen habe den Holocaust geleugnet. Das könne sie ja ruhig tun, meint er, aber sie muss Argumente und Belege anführen. Ich erzähle von Eva Herrmann, die gerade vom NDR für ihre Nazi-Ausfälle gefeuert worden ist, und verteidige diese Entscheidung. In Deutschland lassen wir nicht zu, dass Geschichtsrevisionismus praktiziert wird. Ob wir denn keine freie Meinungsäußerung hätten, will Eric wissen.
Und jetzt kommt der Hammer: Da gibt es diesen Typ, den ich kaum kenne. Er war in einem meiner Politikkurse, die ich nur eine Stunde besucht habe. Er ist ursprünglich Kurde und grüßt mich immer mit „Hi, German kid!“ Er steht schon eine Weile dabei, während Eric und ich uns unterhalten, da fragt er, was ich über die „Aryan Race“, die „arische Rasse“ denke. Ich schaue ihn verständnislos an. Ja, meint er, man müsse den Ausdruck ja nicht im negativen Sinne gebrauchen, aber ich müsse doch wohl zugeben, dass sie existiere. Mir fehlen die Worte

Montag, 17. September 2007

Abreise

Nach 6 Wochen fliegt meine Schwester heute nach Hause. Es ist komisch, so ganz allein. Trotzdem will ich mich nicht beschweren, denn ich habe jetzt so unglaublich viel Platz in meinem Zimmer. Ich kann auch nachts aufstehen und ins Bad gehen, ohne auf wen draufzutreten.
Meine Mitbewohner wundern sich, dass sie uns in der ganzen Zeit nicht einmal haben streiten hören. Wir waren halt leise...

Sonntag, 16. September 2007

Landsleute

Um 8 Uhr morgens müssen wir den Mietwagen zurück zum Flughafen bringen. Von hier aus fährt kein Bus zurück und es ist auch weit und breit kein Taxi zu sehen. Ich frage ein älteres Ehepaar, die gerade Leute abgesetzt haben und wieder losfahren wollen, ob sie uns nicht bis zur nächsten Bushaltestelle mitnehmen könnten. Wo wir her seien? Als wir sagen, dass wir Deutsche seien, sagt er: „Los, einsteigen!“
Es sind nicht die einzigen deutschen Wörter, die Rolf Stout kennt. Seine Vorfahren, die Familie Staudt, kam 1750 aus Rothenburg op der Tauber in die Neue Welt. Er kennt die ganze Geschichte, wie sich ihr Name änderte, er war sogar schon oft in Rothenburg. Ich weiß nicht einmal die Namen aller meiner Urgroßväter und er fühlt sich immer noch ein bisschen als Deutscher, obwohl seine Familie vor mehr als 250 Jahren ausgewandert ist. Jedenfalls: Weil wir ja quasi Landsleute sind, fahren die zwei uns bis nach Hause.

Samstag, 15. September 2007

Ausflug nach Washington

Ich habe mich auch deshalb für Charlottesville entschieden, weil es so nah an Washington ist. 170 km, das erscheint nicht viel.
In der Realität ist die Distanz riesig. Ein Zugticket ist unverschämt teuer, auch die Buslinie langt kräftig zu. Zudem: Sowohl Zug als auch Bus brauchen fast drei Stunden für die Strecke und erlauben gerade mal 5 Stunden Aufenthalt bevor die letzte Linie abfährt. Wir mieten also ein Auto, was letztendlich so günstiger ist.
Doch auch so brauchen wir für die 110 Meilen fast 3 Stunden. Da bauen die Amerikaner diese riesigen Autos mit Monster-Motoren und auf der Straße dürfen sie keine 100 km/h fahren.

Arlington, der Soldatenfriedhof in Washington, ist allein in seiner Größe beeindruckend. So viele Tote. Endlose Reihen weißer Grabsteine, dazwischen größere Denkmäler. Ich entdecke Gräber von Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg und in Korea gekämpft haben, bevor sie in Vietnam gestorben sind. Das kann ich nicht verstehen: Wenn man doch einem Krieg überlebt hat, warum geht man noch eine zweiten? Oder gar einen dritten? Das ist doch bekloppt...
Wir laufen durchs Regierungsviertel von Washington. Ich kann unser Glück gar nicht fassen, dass nach den regnerischen Tagen der vergangenen Woche der Himmel heute so strahlend blau ist.
Vor dem Kapitol gibt es eine Demonstration. Sie protestieren gegen den Krieg, die Regierung und so. Und wir sind mittendrin, mehr als uns lieb ist. Die Kampagne heißt: Trag ein oranges T-Shirt als Zeichen des Protests. Ich trage mein oranges T-Shirt der University of Virginia, weil ich heute morgen kein anderes im Schrank hatte. Ich habe auch so schon genug Angst vor amerikanischen Polizisten. Als die anfangen, Demonstranten festzunehmen, gehen wir lieber weiter.
Auf dem Weg zum Weißen Haus sind wir irgendwo falsch abgebogen, deshalb dämmert es bereits als wir in der Pennsylvania Avenue ankommen. Den ganzen Tag über war der Himmel kristallblau, doch jetzt ziehen dunkle Wolken über dem Weißen Haus auf.

Freitag, 14. September 2007

American Party

Amerikaner haben es schwer. Wenn sie am Wochenende ausgehen, müssen sie entweder 21 sein – oder sich für $100 einen Ausweis kaufen, auf dem sie aus Florida kommen. Die große Mehrheit schaut in die Röhre. In viele Clubs, aber auch Bars, kommt man ohne Ausweis gar nicht erst rein.
Der Satellite Ballroom ist nicht der Ort, an den man gehen würde, wenn man die Wahl hätte. Aber hier erlauben sie jüngeren wenigstens den Eintritt – auch wenn die zwei große schwarze Kreuze auf die Handrücken gemalt bekommen. Die sind so hartnäckig, am nächsten Morgen im Bus kann man auf den ersten Blick sehen, wie alt die Leute um einen herum sind.
Amerikanische Parties starten um 10 – und innerhalb einer halben Stunde ist der Laden voll, denn pünktlich um 2 Uhr gehen die Lichter schon wieder aus. In dieser kurzen Zeit müssen Amerikaner dann all das machen, für das man anderswo vielleicht mehr Zeit hat. Deshalb wird auch bei der Kontaktaufnahme keine Zeit vergeudet. „Grinding“ heißt der Korpulationstanz, bei dem er eng hinter ihr tanzt und sein Becken an sie drückt.
Einige der Europäer hier sind recht unzufrieden mit dem Nachtleben. Sie bevorzugen Orte wie die X-Lounge Downtown, weil sie sich „europäischer“ gibt – was immer das heißen mag. Wie auch immer – ich bin gerade nicht in Europa.

Donnerstag, 13. September 2007

Die größte Party aller Zeiten

Wenn ich Leuten in Deutschland erzählte, dass ich in den USA studieren würde, haben mich immer alle vor den Wohnheimen gewarnt. Ein Haufen unreifer 19jähriger, Partys jeden Tag, Alkohol- und Drogenexzesse...
Ich wohne in Dillard. Das ist am südlichsten Rand des Campus. Es fahren zwar zwei Buslinien hier entlang. Aber im allgemeinen Bewusstsein gilt Dillard als „weit weg“. Wir haben Einzelzimmer, das ist der einzige Vorteil. Deshalb wird Dillard vor allem von „ruhigeren“ Studenten bevorzugt, also solchen wie meinen Mitbewohnern und Nachbarn. Die machen jetzt am Wochenende eher weniger. Da geht man Freitagabend schon mal Wäsche machen. Oder eine Hausarbeit schreiben. Oder Aufgaben aus der vergangenen Woche nachholen. Langweilig.

Seltsam ist auch: Der Haupt-Weg-Geh-Tag ist hier der Donnerstag. Gegen 22 Uhr ist es brechend voll in der Downtown Mall oder an der „Corner“, dem 500 m langen Streifen von der Rotunda in Richtung Osten. Dabei haben die meisten Leute hier am Freitag auch Kurse – nicht wie in Deutschland, wo man sich den Tag ja gerne mal freihält.

Mittwoch, 12. September 2007

Der wichtigste Kameramann der frühen 20er

Mein Englisch wird besser und besser. Diese langen Momente im Unterricht, wenn ich etwas sagen will, mich alle ansehen und mir das Wort nicht einfällt, werden kürzer und kürzer. Allerdings: Mit Eigennamen und Fremdwörtern habe ich noch Schwierigkeiten. Wenn der Dozent dann sagt: „Und das müssen Sie sich aufschreiben, denn das war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten im Filmbusiness der 20er Jahre:...“ Und dann sagt er einen Namen, der weiß Gott was heißen könnte. Ich habe aber inzwischen eine ziemlich gute Routine, bei meinen Nachbarn abzugucken.

Dienstag, 11. September 2007

Feuerwehrleute sind keine Helden

Vor einigen Jahren hieß es noch, dieses Datum sei auf ewig unvergessen. Doch schon sechs Jahre später ist der 11.September-Gedenktag nur eine Randnotiz.
Um kurz vor 9 Uhr gibt es eine kleine Gedenkveranstaltung im Amphitheater. Zwei Studenten – offenbar von irgendeiner Kirche, einige Polizisten und natürlich: Soldaten. Sie spielen die Nationalhymne, sagen ein paar Worte und der Polizeipfarrer hält eine Ansprache. Er redet vom „Gap“. Während alle vom Ort der Katastrophe weglaufen, rennen Polizisten in die andere Richtung, denn: Sie stehen im Gap. Der Gap, das ist seiner Meinung nach der Bereich zwischen Gut und Böse, die Grenze zwischen uns und denen, gegen die uns Polizisten verteidigen. Und er erzählt die Geschichte, wie sein Kollege einmal einem Verdächtigen gedroht habe, man könne sich ja prügeln. Aber dann würde er (der Polizist) gewinne, weil (merke!) er das Böse nicht gewinnen lassen kann. Er steht nämlich im Gap.
Und deshalb betet der Pfarrer, dass wir alle fest und mutig im Gap stehen.

Polizisten und Feuerwehrleute – die Helden von 9/11 – sie stehen alle im Gap. Und der Fire-Marshall stand heute in meinem Zimmer und hinterließ mir eine Mahnung. Ich hatte ungefähr jede denkbare Brandschutzregel ignoriert, die kahlen Wände mit Postkarten und Postern zutapeziert, den Eingang mit meinem Schreibtisch verkleinert und einen Toaster gekauft. Es hieß, der Fire-Marshall würde bei seiner jährlichen Inspektion nach dem Zufallsprinzip Zimmer aussuchen. Dass er bei 600 Zimmern allein in unserem Wohnheim ausgerechnet MEIN Zimmer kontrollieren würde, hatte ich nicht gedacht. Bis zur zweiten Kontrolle muss ich jetzt alles beseitigen. Doof.

Montag, 10. September 2007

President’s Dinner

President John T. Casteen III hat die internationalen Studenten an diesem Abend zu sich nach Hause auf Carr’s Hill geladen. Die Einladung ist sehr offiziell – ich muss eine förmliche Antwortkarte zurückschreiben, ob ich komme. Ich weiß nicht: Muss ich einen Anzug tragen? Dämliche Frage, ich habe ja keinen dabei. Oberhemd muss reichen.

Carr’s Hill ist – wer hätte es anderes gedacht? – ein Haus auf einem Hügel. Weiter Rasen, lange Auffahrt und ein Haus wie ein Museum: Gemälde, Tant und der Geruch von Jahrhunderten. Wohnt er wirklich hier oder ist das nur der Repräsentationssitz des Präsidenten? Viele, die es wissen müssten, meinen, er wohne hier. Da er sich an diesem Abend kein einziges Mal blicken lässt, lässt mich daran zweifeln.

Dafür ist alles da, was Rang und Namen oder einen ausländischen Pass hat. Wir studieren ja alle sehr unterschiedliche Sachen und wohnen nicht im selben Wohnheim, deshalb haben wir kein wirkliches Gruppengefühl. Daher ist der Abend super, um mit neuen Leuten Kontakt aufzunehmen – Studenten, aber auch anderen. Ich weiß nicht, wie viele Leute mir an diesem Abend angeboten haben, ich könnte mir ihr Auto ausleihen, wenn ich mal eins bräuchte.

Sonntag, 9. September 2007

Lernen und Fernsehen

In meinen Kursen werde ich mit Arbeit zugeworfen. Ich muss zwar nirgendwo wöchentliche Tests schreiben oder regelmäßig Essay einreichen, aber es ist ein Haufen zu lesen – und zu gucken. Ich mag Fernsehen. Aber 6 Stummfilme die Woche konzentriert gucken müssen – noch dazu welche, die bis zu 3 Stunden dauern – das ist hart.
Es ist erstaunlich, was Studenten hier alles machen und machen müssen. Jeder stöhnt über das Lesepensum, Meine Mitbewohner machen schon Nachtschichten, um alles zu schaffen. Gleichzeitig sehe ich so viele Leute in den Vereinen und Interessengruppen. Ich glaube, die schlafen einfach nicht und holen das dann während ihrer monatelangen Sommerferien nach.

Samstag, 8. September 2007

Go, Hoos, Go!

Mein Vorurteil über Football: Ein Haufen Männer stehen stundenlang auf dem Platz rum, diskutieren Spielzüge, stellen sich auf – nur um dann einige Sekunden zu rennen und sich gegenseitig umzuschmeißen.
Tatsächlich dauert ein Footballspiel sehr viel länger als es eigentlich dauert. 60 Minuten reine Spielzeit strecken sich an diesem Tag auf dreieinhalb Stunden. Und es ist heiß an diesem Tag. Da wir nicht wussten, wie voll es werden würde, waren wir schon um 10 Uhr im Stadion, obwohl das Spiel erst um 12 los geht.

Die Cavaliers (und irgendwie auch die Studenten an UVA) heißen „’Hoos“ (sprich „huus“ – nicht zu verwechseln mit „hoes“). Sie sind kein gutes Team, dafür haben sie eine lange Tradition. Das fängt bei der Fankleidung an: Man muss sich entscheiden zwischen orangen T-Shirts und dem – mehr traditionellen – Outfit. Das heißt für Männer Oberhemd und orange Krawatte und für Frauen Kleid und Perlenkette. Dazu kommen ein Haufen Lieder, die zu festen Ereignissen im Spiel gespielt werden: „First Down“, „’Hoo are you?“ oder – besonders beeindruckend – den „Good Old Song“ bei jedem eigenen Touchdown. 60.000 Menschen liegen sich in den Armen, schunkeln und singen:
„That Good Old Song of Wahoowa,
We'll sing it o'er and o'er.
It cheers our heart and warms the blood
To hear them shout and roar.
We come from old Virginia,
Where all is bright and gay.
Let's all join hands and give a yell
For dear old UVa.
WAHOOWA, WAHOOWA
UNI-V, VIR-GIN-I-A
HOO-RAH-RAY, HOO-RAH-RAY
RAY! RAY! U-V-A!
(zum hören, HIER klicken.)

Mein Mitbewohner Mike hatte mir zuvor auf der Playstation die Regeln und Standardspielzüge erklärt. Deshalb verstehe ich grundsätzlich, was vor sich geht. Dennoch: Es ist schwer dem Spiel zu folgen: In jeder noch so kleinen Spielpause setzt die Cavalier Marching Band ein und die Cheerleader hampeln rum – oft genug verpasse ich dann, wenn es weiter geht.
Dabei fordert das Spiel von den Fans jederzeit Einsatz: Singen, Klatschen, Rufen – ständig sind wir aufgefordert, irgendwas zu machen. Hinterher sind wir erschöpft als hätten wir selbst auf dem Spielfeld gestanden. Ein hart erkämpfter Sieg gegen Duke.

Freitag, 7. September 2007

Paint the Town Orange

Morgen ist das erste Heimspiel der Footballmannschaft. Nachdem die Cavaliers zum Saisonauftakt in der vergangenen Woche geradezu überrannt worden sind, ist Trainer Al Groh in der Kritik – wie wohl jedes Jahr. In der Zeitung rechnen sie aus, warum er noch nicht gefeuert wurde. Unter anderem deshalb, weil er laut Vertrag drei Jahre lang eine Lohnfortzahlung von $ 2 Millionen bekommen würde. Ähem... der Mann ist nur Trainer einer erfolglosen Collegemannschaft...!?

In der Downtown Mall gilt heute „Paint the Town Orange“. Geschäfte haben ihre Schaufenster geschmückt, überall laufen Leute mit orangen T-Shirts umher, am Abend spielt die Marching Band. Coach Groh und ein paar Schränke (bzw. Spieler) kommen auf die Bühne und reden was von „toller Unterstützung“ und „Duke besiegen“.
Der unumstrittene Star der Mannschaft ist Chris Long, Nummer 91. Er ist irgendwie in der Verteidigung aktiv. Ich kann mir nicht helfen, aber sein Name klingt weniger nach Footballspieler als nach Pornodarsteller.

Donnerstag, 6. September 2007

Neue Identität


Als jemand mit deutschem Pass habe ich ja eine gewisse Abneigung gegen plakative Rudelbildung. Also Flaggen, Hymnen oder T-Shirts, die sagen, dass ich zu einem Land, einer Kneipenmannschaft oder einer Uni gehöre.
Vielleicht liegt es am Chlor im Wasser, dass nicht nur meine Haare schneller wachsen, sondern ich auch dieses tiefe Identifikationsbedürfnis mit meiner Umwelt entwickle.
Also haben ich mich heute komplett neu eingekleidet. Vom „University of Virginia“-Pin, über Pullover und T-Shirts bis hin zur Mütze. Dabei habe ich mich bemüht, nicht zu viele Sachen in Orange zu kaufen. Orange ist zwar hier DIE Farbe an UVA, aber in Deutschland kann man es eigentlich nicht tragen – es sei denn man arbeitet für die städtische Müllabfuhr.

Mittwoch, 5. September 2007

Post von Larry


Larry Sabato – bzw. sein Assistent – hat mir eine Mail geschrieben. Sie hatten so viele Bewerber... und alle waren so qualifiziert... und es war so schwer, auszuwählen...
Ich bin raus. Schon schade.

Am Abend gibt es ein Barbecue – mal wieder. Das International Student Center lädt die Rückkehrer aus dem Ausland und die neuen Ausländer im Inland zu Essen ein. Es gibt – wen wunderts? – Hot Dogs, Burger und Bohnen. Und ein Quiz. Unser Tisch hätte beinahe verloren, weil die Australier in meinem Team mir nicht glauben wollten, dass die größte Insel der Welt Grönland ist. Die jungen Damen dachten, ihr Känguru-Land sei die größte Insel. Manche sind echt zu...

Dienstag, 4. September 2007

Was ist ein Assignment?

Ich musste für den Kurs „Geschichte des Dokumentarfilms“ für heute zwei Filme sehen. Mäßig spannend, alte Stummfilme über Eskimos (bzw. Inuit) und Menschen in Irland. In meiner Kursübersicht gibt es dazu ein Assignment, ein paar Fragen zu den Filmen, zu Ähnlichkeiten, Schnitttechnik usw.
Assignment heißt laut Wörterbuch soviel wie „Aufgabe“ – und ich habe das immer als eine Art Fragenkatalog gesehen, den wir beim Schauen im Hinterkopf behalten sollten für die Diskussion in der Stunde. Doch dann machte mich stutzig: Die Endnote besteht in diesem Kurs zu je einem Drittel licher Mitarbeit und Assignments. Sollte das nun gar etwas schriftliches sein?
Als ich gestern Abend gegen 23 Uhr nach Hause kam, meinte Rachel von nebenan: „Ja!“ Deshalb bin ich in aller Frühe aufgestanden und habe ein paar Seiten zu Papier gebracht.
Dumm nur, dass mein Werk keiner sehen will. Die Professorin stellt klar, dass es doch nur Leitfragen fürs Filmgucken sind. Was mich zu einer neuen Frage bringt: Was ist der Unterschied zwischen Assignment und mündlicher Mitarbeit?

Die ersten Mails vom Activities Fair sind eingetroffen. Über die Woche gibt es erste Infotreffen, bei denen Interessenten in der Regel mit gratis Pizza bestochen werden sollen. Ich war eh hungrig, also gehe zur Filmmakers-Society. Sie präsentieren ein paar beeindruckende Filme – in einem Making-Of zeigen sie, mit welchen Aufwand die produziert werden. Da kommen Kamerawagen zum Einsatz, LKW voller Equipment, Hollywood-Schauspieler werden bemüht und einmal sogar ein Kamera-Kran – für genau eine Einstellung im fertigen Film. Es ist der Wahnsinn.
Und nicht ohne Preis. $20 kostet die Mitgliedschaft pro Semester – ein üblicher Mitgliedsbeitrag für viele Vereine hier an der Uni.
Ich will wirklich gerne irgendwo was machen außerhalb der Uni. Aber ich bin, offen gesagt, erschlagen von der Auswahl. Ich kann mich nicht entscheiden.

Montag, 3. September 2007

Der Versuch eines Comebacks in die Politik

An UVA gibt es einen weitbekannten Professor für Politik, Larry Sabato. Wenn immer ein amerikanischer Nachrichtensender einen Experten zu einer politischen Frage braucht, hält Larry seinen Schnurrbart in die Kamera. Jeder (!) hat mir geraten, bei ihm einen Kurs zu belegen.
Und weil mir das jeder (!) geraten hat, hat sich wahrscheinlich auch jeder (!) für diesen Kurs angemeldet. Auf die 20 freien Plätze gibt es wohl mehr als 120 Bewerbungen. Denn tatsächlich mussten wir alle nicht nur einen Fragebogen mit bisher belegten Kursen, politischer Erfahrung und persönlichen Hintergrund ausfüllen, sondern auch ein Essay schreiben, warum wir zu diesem Kurs zugelassen werden sollten.
Larry Sabatos Kurs ist hart. Tonnenweise Literatur jede Woche, viel Arbeit und Treffen Montagabend von 19 bis 22 Uhr – oder auch mal Sonntagabend, wenn Larry am Montag zu CNN muss. Aber es verspricht spannend zu werden: Über das Semester soll eine Wahl zum US-Senat simuliert werden, inklusive Exkursionen nach Washington. Zudem habe ich selten einen Dozenten erlebt, der so viel Energie und Witz versprüht hat.
Der Kurs wäre schon cool – aber ich rechne mir keinen großen Chancen aus. Leute im vierten Jahr (ihrem letzten) haben Vortritt, davon sind allein mehr als 20 an diesem Abend da. In den nächsten Tagen werde ich Bescheid bekommen.

Sonntag, 2. September 2007

Flying Smirk

Die Abende hier sind lang und warm und von Zeit zu Zeit sitzen wir abends noch draußen vor der Tür, mit meinen Mitbewohnern oder mit den beiden Veganerinnen und Barack-Obama-Fans von nebenan, Rachel und Caitlin. Wir kommen irgendwie auf das Thema kleinwüchsige Menschen und dass die lange Zeit „dwarfs“ (Zwerge) genannt worden sind. Dwarf! Wie viele Jahre habe ich gedacht, „Zwerg“ hieße „smirk“? Als in der Schule ein ziemlich kleiner Typ aus meiner Klasse gestolpert ist und hinfiel, rief ein anderer laut: „Flying Smirk!“ Seitdem ist dieser Fehler fest in meinem Kopf. Seit dieser Woche gibt es in Facebook (dem amerikanischen Vorbild von StudiVZ) eine Gruppe „Flying Smirk“...
Solche Missverständnisse sind meine Schuld – nicht aber all der andere Unsinn, den ich im Englischunterricht gelernt habe. Zum Beispiel sind Schwarze nicht „coloured“. Niemals. Jetzt weiß ich: „coloured“ ist noch schlimmer als „negro“. Besonders bitter ist es, wenn ich versuche, mein bestes Englisch zu sprechen und idiomatische Wendungen auspacke. Mit dem Brustton der Überzeugung sage ich deshalb: „He was taking the mickey out of him“, was laut Englischbuch der 7. Klasse hieß: „Er macht sich über ihn lustig.“ Tatsächlich hat mich niemand verstanden und man erklärt mir, dass „mickey“ nur in einem Zusammenhang bekannt ist: „to slip someone a mickey“. Und das heißt so viel wie: „Jemandem etwas ins Glas mischen, damit man ihn/sie später vergewaltigen kann.“
Tja...

Samstag, 1. September 2007

Extra Curricular Activities

Heute veranstaltet unser Wohnheim ein Barbecue. Großartig! Ich liebe Grillen!
Aber nicht so wie die Amerikaner es machen. Ich meine, es dreht sich hauptsächlich um Fleisch, aber das ist OK. Nur: Die Amerikaner sind immer so unter Stress.
Als das Barbecue um 1 Uhr losgeht, werden große Wannen mit Hühnchen, Burgern, Bohnen und Nudelsalat aufgefahren, dazu literweise Softdrinks – und nach dreißig Minuten ist alles vorbei.
Man muss ja nicht wie die Franzosen 5 Stunden Raclette machen – aber 30 Minuten?
Am Nachmittag ist der bereits angekündigte Activities Fair. Jede der diversen Interessen- und Aktivitäten-Gruppen hat sich auf dem Platz vor den Bibliotheken mit einem Stand postiert. Es dauert rund 4 Stunden, bis wir die etwa 800 Meter Weg kreuz und quer über den Platz hinter uns haben. Es ist nicht nur brechend voll, jede Gruppe wirbt auch sehr offensiv für ihr Anliegen. Gleich zu Beginn will mich einer für irgendeine Kirche rekrutieren. Ich will nur weiter, also gebe ich meine Mailadresse. Das ist der Weg, wie es läuft: Man schreibt sich in eine Mailingliste ein und darf weiter. So schreibe ich mich an diesem Tag für diverse Kirchen und Parteien ein, Fecht club, Ruderclub, Cross-Country (was ist das eigentlich?), Running-Club, Ski-Club, das Frauen-Basketball-Team, die deutsche und die europäische Gesellschaft, die Gruppe zur Befreiung Tibets, zum Kampf gegen Leukämie, für Schulen in Uganda, die Filmmakers-Society, den Foto-Club, die jüdische Gemeinschaft und die Feuerwehr – als Gegenleistung dafür, dass ich ein Foto mit einem Feuerwehrhelm machen durfte. Am Ende zeichne ich noch für die jüdische Gesellschaft, um eine Flasche Wasser zu bekommen.
Meiner Mailbox droht eine Spam-Flut.

Freitag, 31. August 2007

Mein Abschied aus der Politik


Mein Kurs in amerikanischer Politischer Tradition ist ein Musterbeispiel für das Selbstverständnis des Fachbereichs Politik hier an der UVA. Nicht nur, dass wir uns regelmäßig in den historischen Gebäuden treffen und um den großen Tisch herum sitzen wie Gelehrte aus dem 19. Jahrhundert – jeden Freitag erwarten wir einen Gastredner, der mit großem Tam-tam seinen Vortrag hält. Das Thema heute ist die Verfassung des alten Athens im Vergleich zu der Spartas. Aha.
Eine Studentin kündigt die Rednerin an, alle müssen sich erheben, es ist sehr förmlich. Da sie Rednerin sehr leise spricht und ich direkt neben dem Ventilator sitze, verstehe ich kaum etwas. Und während ich so da sitze und ich diese unsäglich nervige Studentin sehe, wie sie pseudo-interessierte Fragen stellt, fälle ich einen Entschluss: Ich wähle den Kurs ab – und verabschiede mich damit auch von meinem letzten Politikkurs hier.

Ich habe zwar immer in den Bewerbungen für dieses Programm geschrieben, dass ich gerne Politik aus der amerikanischen Perspektive studieren möchte. Aber irgendwie... Der Gedanke, zu 95 % das selbe zu machen, das ich fast 4 Jahre in Dortmund studiert habe, nur um ab und zu mal eine „amerikanische Perspektive mitzubekommen“, schreckt mich ab.

Das Schöne am amerikanischen College ist, dass die Leute sich erst in ihrem zweiten Jahr entscheiden, was sie als Hauptfach nehmen. Bis dahin belegen sie einen bunten Mix an Kursen: Mathe und Politik, Chemie und Kunst, Ingenieurwissenschaften und Soziologie – und eine Fremdsprache.
Es gibt hier ein Programm, das nennt sich Media Studies. Es besteht aus Kursen in Journalismus, Theater- und Filmwissenschaften. Das reizt mich irgendwie mehr. Deshalb gehe ich am Nachmittag in einen weiteren Kurs „Kino als Kunstform“.

Am Abend steigt hier ein großes Event: Tom Deluca, weitbekannter Star-Hypnotiseur, gibt sich einmal im Jahr die Ehre. Unter all den Veranstaltungen, die in diesen Tagen stattfinden, ist dies ein absolutes Muss, so hat man mir gesagt.
Über eine Stunde hielt er etwa ein Dutzend Studenten unter Hypnose und ließ sie komische Sachen machen: Eine rief immer wenn er „Pennsylvania“ sagte „Who’s your daddy?“, der andere wurde zum fruit-lover und küsste Orangen. Sie mussten posieren wie Bodybuilder, Autofahren und wilde Tänze aufführen.
Zwischendurch wachten einzelne auf und mussten von der Bühne runter. Aber dennoch: Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass man das alles unter Hypnose macht. Die müssen das doch mitbekommen haben...

Donnerstag, 30. August 2007

An Ass on Facebook

Ihre Arbeit ist sozusagen „für’n Arsch“: Unsere beiden veganischen Nachbarinnen, Rachel und Caitlin, malen ein großes Plakat für ASS, die „Art Students’ Society“. An UVA gibt es geschätzte eine Million solcher Clubs, Societys und Associations, für Kunst, Rudern, die Befreiung von Tibet oder die freiwillige Feuerwehr. Nahezu jede erdenkliche Minderheit, jedes mögliche Anliegen, jede irgendwie vorstellbare Beschäftigung trifft sich in einem solchen Club. Am kommenden Samstag sollen sie sich alle präsentieren, um neue Mitglieder zu werben.
Und ich mal einen roten Delfin auf das Plakat für ASS.

Und mit diesem Plakat posiere ich nun sehr prominent in Facebook. Ich habe mich immer mit Händen und Füßen gegen StudiVZ gewehrt, aber um dessen amerikanisches Vorbild kommt man einfach nicht rum. Wenn man hier wen kennen lernt, werden keine Telefonnummern ausgetauscht – dafür müsste man ja was aufschreiben – man sagt: „Just add me on facebook!“ Und solange man dazu keinen Zugang hat, lernt man niemanden kennen.

Die Welt ist hier sehr online. Das hat eine Menge Vorteile. So habe ich hier noch nicht eine einzige Seite kopieren müssen, weil Dozenten Literatur grundsätzlich einscannen und auf die Kurs-Homepage stellen. Dozenten antworten auf Mailanfragen in der Regel binnen weniger Stunden, manchmal sogar unmittelbar. Aber mitunter ersetzt Internet und Mail auch die persönliche Kommunikation völlig. So wollte eine Studentin ein Problem schildern, weshalb sie die nächste Stunde verpassen würde, da entgegnet der Dozent, sie solle ihm lieber eine Mail schreiben.

Mittwoch, 29. August 2007

2. Schultag

Es geht weiter im fröhlichen Kursgucken, bereits um 9 Uhr morgens mit Amerikanischer Politischer Tradition. Das ist langweiliger als es klingt. Das einzige, das mich davon abhält, den Kurs sofort abzuwählen ist, dass er in den historischen Gebäuden nahe der Rotunda stattfindet, jenen also, die Thomas Jefferson selbst erbauen ließ hat. Es sind uralte Stühle, auf denen wir sitzen, an den Wänden hängen Ölgemälde von Jefferson & Co. und es riecht nach Museum.
Ich bleibe historisch und besuche den Kurs „Geschichte des Film“. Das ist mal spannend. Da ich nur ein Semester hier bin, werde ich nur Stummfilme mitbekommen, dafür stehen aber die großen Klassiker auf dem Programm, von Eisenstein bis Charlie Chaplin.
Ich tue mir noch ein paar andere Kurse an diesem Tag an und bin etwas verstört. Hier ist alles ganz anders als zu Hause in Deutschland. Das fängt an mit den Zeiten: Ein Kurs trifft sich 2½ pro Woche, das kann auf 1-3 Sitzungen verteilt sein. In der Regel gibt es eine Abschlussprüfungen (Final) und eine Halbzeitprüfung (Midterm), zusätzlich noch je nach Kurs Tests oder kurze „response papers“. Und nicht zu vergessen: Sehr viel zu lesen! 3-4 Bücher müssen im Schnitt pro Kurs angeschafft werden, zudem veröffentlichen die Dozenten seitenweise pdf-Dokumente, die ebenfalls gelesen werden wollen. Nicht dass ich mich vor der Arbeit scheue. Aber wenn ich den Herbst über hätte nur Bücher lesen wollen, hätte ich auch in Deutschland bleiben können.

Dienstag, 28. August 2007

1. Schultag

Ich bin 23 Jahre alt, war auf insgesamt 4 Schulen und 2 Universitäten (bis jetzt). Eine neue Uni, das sollte eigentlich kein Problem sein. Trotzdem bin ich nervös vor meinem ersten Kurs. Mein Englisch habe ich bislang nur ab und zu bemühen müssen, um ein Busticket zu kaufen, ein Motel zu buchen oder mich mit einem Franzosen zu unterhalten.
Dumm nur, dass mir der Typ auf der Treppe zum Kursraum meine Nervosität wohl ansieht. Er guckt und meint dann, ob alles klar sei. Und noch dümmer, dass er auch im gleichen Kurs ist. Kein guter Einstand.

Es ist ein wilder Mix, den ich mir an diesem Tag anschaue: „Medien im Nahen Osten“ (der Reiz diesen Kurs in den USA zu belegen, erklärt sich von selbst), „Politik in Westeuropa“ (kenne ich schon und die Professorin versprüht den Charme einer Schlaftablette), „Außenpolitik der USA“ (die Dozentin schreibt in der Kursbeschreibung: Wenn Sie diesen Text nicht verstehen, sind Sie vielleicht nicht schlau genug für den Kurs.) und „Geschichte des Dokumentarfilms“ (ein kleiner Kurs mit viel Filmegucken und viel darüber reden).
Ich bin total geschlaucht.

Montag, 27. August 2007

Eishölle

Draußen sind es über 30°, die Klimaanlage kühlt mein Zimmer jedoch auf deutsche Temperaturen runter. Doch für heute bin ich an den Schreibtisch gefesselt, ich muss meine Kurse wählen.
In Dortmund ist das einfach: Man geht einfach in die erste Stunde und ist drin. Hier läuft alles online. Studenten schreiben sich im Internet für Kurse ein, es gibt lange Wartelisten, denn die Amerikaner haben schon im Mai ihre Kurse gewählt. In den nächsten zwei Wochen, so heißt es, sei da aber noch viel Fluktuation, denn viele würden einfach alles wählen und dann Kurse wieder abgeben.
Ich wühle mich durch die Datenbank, lese Kursbeschreibungen und bastle mir was zusammen. Zwar noch keinen richtigen Stundenplan, aber zumindest suche ich mir für die erste Woche für jeden Tag 3-4 Kurse raus, in die ich einfach reingehe, um zu schauen, wie die sind.
Offiziell muss ich in diesem Semester 12 Credits erwirtschaften, das heißt 4 Kurse. Andernfalls darf ich im nächsten Semester nicht weiterstudieren. Da ich eh nur für ein Semester bleibe, kann ich diese Regel wohl sehr frei interpretieren...

Sonntag, 26. August 2007

Herzlich Willkommen zum Kindergeburtstag!

Neue Studenten an UVA haben im Sommer eine einwöchige Einführungswoche. Mit ihren Eltern reisen sie aus dem ganzen Land an, es wird ihnen alles erklärt und gezeigt. Wir ausländischen Studenten haben diese „Orientation“ heute. Wir lernen also wie wir uns für Kurse einschreiben und wie wir es trotz voller Wartelisten doch noch in die Seminare schaffen können; wir hören vom „Honor Code“ der Uni, der Abschreiben unter Strafe stellt, aber Petzen ausdrücklich vorschreibt; und wir lernen dass der International Student Coordinator ein komplexes Ritual unter der Dusche hat, um während der augenblicklichen Dürre in Albermarle County Wasser zu sparen.
Eine Führung über den Campus gibt es nicht, obwohl Teile der Uni sein Jahren zum Weltkulturerbe gehören. Dafür kann man mit einem gecharterten Bus zum Shopping-Center fahren, falls man noch Dinge für sein Zimmer braucht.

Am Abend gehen wir in die Newcomb Hall. Hier ist normalerweise unter anderem (eine) Mensa und verschiedenen studentischen Einrichtungen wie das University Program Council. Heute Abend ist der „Newcomb Hall Crawl“ unter dem Motto „Polynesien“. Es gibt gratis Eis und Zuckerwatte, eine Hüpfburg, Spiele und Karaoke, Schminktische und ein Maskottchen. Enrico, der Italiener, ist fassungslos und bleibt nicht lange.
Wenn man die Politik hat, dass im öffentlichen Raum kein Alkohol getrunken wird, müssen Partys eben anders aussehen, als wir sie in Europa gewöhnt sind. Das kann man gut finden oder nicht. Auf Uni-Partys in Deutschland stehen dann Leute mit dem Bier in der Hand, unterhalten sich über wasauchimmer und sind am Ende irgendwie angeödet. Hier organisieren alles die Studenten, es gibt so viel zu machen und alle haben gute Laune. Ich kann mir nicht helfen, aber ich mag das.

Samstag, 25. August 2007

Der helle Wahnsinn

Es waren dezente Zeichen, die ich nicht zu deuten wusste. Der Parkplatz sollte geräumt werden, hieß es. Die Busse würden nicht fahren, stand an der Haltestelle. Als ich am Morgen vor die Tür gehe, weiß ich warum: Move-In-Day.

Anders als in deutschen Wohnheimen, müssen amerikanische Studenten während der Semesterferien ausziehen. Dann werden sie neu zugeteilt und im Herbst ziehen sie alle am gleichen Tag wieder ein.
Was unglaublich klingt sieht auch unglaublich aus. Kolonnen vollbebackter SUVs schleppen sich die Straße entlang, Stoßstange an Stoßstange, emsig dirigiert von Dutzenden Polizisten. Entlang der Gehsteige entladen dann Väter, Mütter, Geschwister, Großeltern die Fracht, Kisten mit Wäsche, Teppiche, Stereoanlagen, Ventilatoren, Kühlschränke, Fernseher, Küchengeräte...
Es ist der helle Wahnsinn – und die 30°C morgens um 9 tun ihr übriges, um diesen Tag für alle unvergesslich zu machen. Helfer des Student Councils (sie nennen sich heute „Greeter“ oder „Super Greeter“) stellen Wasser bereit, verteilen Pläne und Willkommenspakete.
Es ist total bescheuert, alle an einem Tag einziehen zu lassen – aber ich liebe es!

Für die Mehrheit der Internationals sind – wegen Altersbegrenzung – Clubs und Bars dicht – und so ist unsere einzige Möglichkeit an diesem ersten Abend eine illegale Zimmerparty. Trinken im Beisein von jüngeren ist ebenso verboten wie Trinken bei offenem Fenster. In beiden Fällen, so die Leute von Resident Staff bei der Einführung am Abend, holen sie die Polizei.
Und so ist es wie früher im Schullandheim, wenn beim kleinsten Geräusch vor der Tür, plötzlich alle leise sind und ihr Bier unters Bett stellen. Das ich so was noch erleben darf...

Trotzdem ist unsere Party ein Fehler, denn wir hätten die wirklich wichtige Party fast verpasst. Die Fraternities schmeißen am ersten Abend traditionell Partys, deshalb ist die gesamte Rugby Road an diesem Abend eine einzige Partymeile. Mit ein paar Amerikanern machen wir uns auf den Weg. Doch schon nach dem ersten Haus voller Freibier und betrunkener 19jähriger blasen wir zum Rückzug. Eine unserer Begleiterinnen merkte plötzlich, dass Alkohol doch eine stärkere Wirkung hat, als sie gedacht hatte.

Freitag, 24. August 2007

Der erste Kontakt II

Die Stadt füllt sich langsam mit Studenten. Auch immer mehr Internationale Studenten treffen ein. Ich hatte in den vergangenen Tagen mal eine Mail an Adressen aus einer Rundmail geschrieben. Vor dem offiziellen Treffen am Sonntag, so mein Vorschlag, könnten wir uns doch vielleicht mal vorher irgendwo treffen.
So sind wir knapp 20 Leute, die an diesem Abend in der Downtown Mall zusammensitzen. Sie sind ja alle ganz nett – aber so jung!!

Ich habe mich in den vergangenen Tagen ein paar Mal gefragt, ob es sinnvoll war, so viel eher vor dem Semesterbeginn hierher zu kommen. Denn offen gesagt: Charlottesville ist nicht gerade der Ort, an dem der Bär steppt. Nachdem wir eine Wohnung gefunden und fast alles gesehen haben, ist es fast langweilig.
Auf der anderen Seite: Viele andere sind erst in diesen Tagen angekommen. Ihnen bleibt weniger als eine Woche, um sich einzurichten und die Stadt kennen zu lernen.

Aber eigentlich ist es sinnlos darüber nachzudenken, was ich beim nächsten Mal anders machen würde. Ich mache es ja nur diesmal.

Donnerstag, 23. August 2007

Erhöht die Studiengebühren!!

Bislang war es mir zu peinlich, sie hier zu zeigen, aber es muss sein: Meine Student-ID. Das Foto erinnert mich an das von Michael Jackson, das während seines letzten Prozesses 2003 kursierte. Aber ohne diese Karte läuft hier nichts.
Fast alle öffentlichen Räume im Wohnheim lassen sich nur mit der Karte öffnen. Sie ist meine Busfahrkarte und – nachdem ich ein Guthaben eingezahlt habe – mein allgemeingültiges Zahlungsmittel an der Uni. Im Buchladen, in der Mensa, im Copy-Shop, an jeglichen Automaten an den Waschmaschinen...

Sie ist auch meine Eintrittskarte für das Fitnessstudio. Oder sollte ich besser sagen: Fitnesstempel?
3 Basketballfelder, Gymnastikhallen, mehrere Räume mit Geräten und Gewichten, eine Empore mit mehreren Dutzend Fahrrädern, Laufbändern und Ergometern, eine Stadion-Laufbahn auf der Empore um die Basketballfelder herum – und nicht zu vergessen das Wettkampfschwimmbad im Keller.
Und all das wird auch rege genutzt. Das Resultat ist offensichtlich: Obwohl Amerika die dickste Nation der Welt ist, ist UVA die Insel der Glückseligen. Laut einem Zeitungsartikel haben die Studenten hier eines der höchsten Fitnesslevel des ganzen Landes.
Kann man argumentieren, dass das der Verbesserung der Lehre dient?

Mittwoch, 22. August 2007

Der erste Kontakt

Mein erster Mitbewohner zieht ein. Tyler ist gerade mal 20 Jahre und kommt aus Pennsylvania. Er ist Transfer-Student, hat also schon ein paar Semester an einer anderen Uni studiert. Also kein Erstsemester, der – endlich von zu Hause weg – das ganze Leben als eine einzige Party begreift.

Am Abend nehme ich ihn mit zur Corner, einer etwa 200 Meter langen Reihe von Bars entlang der West Main Street. Einige der anderen internationalen Studenten sind nämlich heute eingetroffen. Wir hatten uns zum Mittagessen getroffen und uns für den Abend verabredet.
Leider können wir gerade nicht dorthin, wo am meisten los ist – bis auf zwei ist nämlich keiner über 21. So müssen wir dahin, wo die Kellner es nicht so genau nehmen.

Treffen dieser Art können sehr anstrengend sein. Glücklicherweise hatten wir die Standardfragen (Alter, Heimat, Studienfach, blabla) schon vorher abgehakt und so klappt es erstaunlich gut. Es gibt keine peinlichen Pausen, wir kommen von einem Thema aus nächste. Es wird viel erzählt und viel gelacht.
Vielleicht ist der Grund einfach, dass jeder sehr daran interessiert ist, eine gute Zeit zu haben. Ich bin gespannt, ob das anhält.

Dienstag, 21. August 2007

Hurrikan-Saison

Das Wetter spielt zur Zeit völlig verrückt. Hatten wir in der vergangenen Woche noch an die 40°C – in den Nachrichten nannten sie das verantwortliche Hochdruckgebiet „Ring of Fire“, so leiden wir jetzt unter den Ausläufern der Hurrikan-Saison.
Manchmal ist den ganzen Tag über wolkenverhangen und kühl, dann kommt plötzlich die Sonne raus, um dann schlagartig den Himmel freizugeben für dicke, schwere Gewitterwolken, die die Straßen unter Wasser setzen und die Stadt verdunkeln. Nach einigen Minuten, wenn der Regen aussetzt und die Sonne die Straßen aufheizt, fühlt es sich an wie im Tropenhaus.
Angeblich wird das die nächsten vier Wochen noch so sein.

Montag, 20. August 2007

Kein Schul-Englisch

Es gibt eine sprachliche Besonderheit hier, die mir noch Schwierigkeiten macht. Die Menschen hier sagen nicht „Hello“ oder „Good Morning“, sondern immer „How are you doing?“ Das machen Freunde, die sich treffen, aber genauso die Kassiererin im Supermarkt, der Kellner im Restaurant oder Menschen, denen man im Wohnheim auf der Treppe begegnet. Was soll ich darauf antworten?

Neulich im Supermarkt habe ich es dann so gemacht, wie ich es in der siebten Klasse im Englisch-Unterricht gelernt habe. Als die Kassierein anfängt, meine Einkäufe zu scannen und dabei „How are you doing?“ murmelt, erwidere ich: „Fine, thank you. And you?“ Wir schauten uns einen Moment lang beide verduzt an, sie hörte auf, die Lebensmittel über den Scanner zu schieben, grummelte etwas und machte dann weiter.

Die Amerikaner mögen es wohl nicht, wenn man sie anschaut. Manchmal passiert es aber, da steht zum Beispiel ein Bauarbeiter an der Straßenecke und schaut, als ich vorbeigehe und zurückschaue. Plötzlich nickt er mir zu und fragt „How are you doing?“ Seitdem vermeide ich, Leuten ins Gesicht zu sehen, denen ich nicht erzählen will, wie ich mich gerade fühle.

Heute aber war es echt nicht meine Schuld. Ich hatte mir gerade meinen WLAN-Zugang für die Uni einrichten lassen und gehe mit gesenktem Blick über den Campus, da fragt mich plötzlich ein junger Mann in brauner Kutte: „How are you doing?“ Ich will schon rufen: „I didn’t stare!“, da fängt er ein Gespräch an. Er ist vom Bibelkreis und sie laden Studenten ein, zu ihren montäglichen Bibelstunden zu kommen. Ich winke ab, eher nicht, danke. Er guckt betroffen, es scheint, als zittere seine Unterlippe vor Trauer: „You don’t believe in God?“
Nach 5 Minuten Vortrag darüber, wie wichtig es ist, sich von der Sünde loszusagen, nehme ich seine Visitenkarte. Er lächelt wieder.

Ich habe jetzt übrigens einen todsicheren Plan, wie ich das „How are you doing?“-Problem lösen kann: Ich frage einfach immer zuerst!

Sonntag, 19. August 2007

On the Grounds

Ich habe es schon mal gesagt: Ohne die Universität gäbe es Charlottesville nicht. Die Uni dominiert den Rhythmus, die Wirtschaft und die Identität dieser Stadt. Straßen heißen zum Beispiel „Wahoo Way“ – nach dem Schlachtruf des Football-Teams, den „Cavaliers“. Auf allen Straßen, die zum Campus führen, ist das blau-orange „V“ der University of Virginia aufgemalt.

Thomas Jefferson selbst hat die Bauarbeiten an „seiner“ Universität damals überwacht. Auf seiner Terrasse auf Monticello hatte er einen Punkt, von dem er mit dem Fernrohr jeden Tag zur weißen Kuppel der Rotunda hinübergeschaut haben soll.
Die Rotunda ist der zentrale Ort „on the Grounds“ (es ist nicht üblich, „Campus“ zu sagen). Dahinter erstreckt sich eine große Wiese, entlang derer kleine Studentenappartements liegen. Diese sind traditionell den besten Studenten der höheren Jahrgänge vorenthalten und jeder begreift es als höchste Auszeichnung, hier wohnen zu dürfen.

Tatsächlich hat die Universität einen gewissen Charme. Mehrere Mensen über das gesamte Gelände verteilt, ganz zu schweigen von dem halben Dutzend Bibliotheken, die mit Unmengen an Computerterminals, Sofaecken und integrierten Cafés aufwarten können. Auch architektonisch können die Betonpaläste, die ich aus Bochum und Dortmund kenne, da nur schwerlich gegen anstinken.

Eine Reihe von Bildern der Universität, die ich über das Jahr mache, findet sich hier:

Samstag, 18. August 2007

Nudeln im U-Boot

Es ist ein langer, anstrengender Tag. Wir machen uns auf zum WalMart. Der ist ziemlich weit draußen, wir brauchen fast 90 Minuten bis dorthin. Aber dort soll es nicht nur kleine Mini-Kühlschränke fürs Zimmer geben, sondern auch allerhand anderen Kram den es im Supermarkt gestern nicht gab.

Und da wir nun endlich eine feste Bleibe mit Kühlschrank und Zugang zu einer Küche haben, kaufen wir auch Lebensmittel ein. Am Abend sieht mein Zimmer aus wie ein U-Boot, vollbepackt bis unter die Ecke mit Bagels im Regal, Wasserkanistern unterm Bett, Paketen mit Nudeln im Schrank...
Mehr Bilder von meinem Zimmer und dem Wohnheim gibt es hier:
Wir können es kaum erwarten, nach zwei Wochen etwas selbst zu kochen. Enrico, Austauschstudent aus Italien, gesellt sich dazu. Nudeln mit Tomatensoße, das ist zwar nach seinem Geschmack, nicht aber die Art, wie wir sie kochen wollen. Im Topf ist zu wenig Wasser, das Salz ist zu feinkörnig und das Öl nicht das teure aus Oliven, sondern das billige aus Sojabohnen.

Letztendlich ist es egal, denn die beiden Herde funktionieren nicht. Nachdem das Wasser über eine Stunde auf der Kochplatte auf höchster Stufe gestanden hat, kocht es immer noch nicht. In unserer hungrigen Verzweiflungen werfen wir die Nudeln in das warme Wasser – vielleicht dauert es so nur sehr, sehr lange? Nach einer weiteren Stunde sind die Nudeln immer noch hart. Zu blöd zum Nudeln-Kochen – das erinnert mich daran, wie ich es einmal geschafft habe, eine Dr.Oetker-Backmischung zu versemmeln, weil ich die Temperatur falsch eingestellt habe.

Freitag, 17. August 2007

Umziehen in ein neues Heim

Der Regen in der Nacht brachte nur wenig Abkühlung und schon vor 9 ist es wieder drückend heiß. Und ausgerechnet heute steht der Umzug ins Wohnheim an. Allein, denn Catharina ist den Tag über im Praktikum.
In aller Frühe hole ich den Schlüssel ab und rufe ein Taxi zum Motel. Die Uni bietet einen interessanten Service an: Wenn man sich verläuft, kann man ein Taxi rufen und die Rechnung später an die Uni schicken. No questions asked!
Das Taxi fährt mich nur bis zu Straßenecke und so dauert es eine Weile bis ich all unsere Koffer und Taschen in den dritten Stock und dann in die zweite Etage des Appartements getragen habe.
Als ich die Zimmertür aufschließe, bin ich schockiert. Ich hatte kein großes Zimmer erwartet, auch keine luxuriöse Ausstattung. Doch damit hatte ich nicht gerechnet
Das Zimmer ist winzig. Bett, Schreibtisch und Schrank passen gerade so hinein, dass man sich im Zimmer noch drehen kann. Die einzige Lichtquelle außer dem Fenster ist die kleine Schreibtischlampe.
Ich habe schon an vielen komischen Orten gewohnt. Ich möchte nur an das Wohnheimzimmer an der Sporthochschule in Köln erinnern, oder die Kellerwohnung in Siegen – von meinem Zimmer im Internat in Bonn ganz zu schweigen. Aber das hier übertrifft echt alles. Ich gebe offen zu: Der Gedanke, hier wohnen zu müssen, nimmt mir den Atem.

Aber es hilft nichts.
Die übrigen Wohnungen stehen fast alle noch leer, nur in einer treffe ich zwei Mädchen. Sie gehören zum „Resident Staff“, sind so eine Art Blockwart. Sie erzählen mir, wie ich online gehen kann und wo ich meinen Studentenausweis bekomme, mit dem ich nicht nur umsonst Bus fahren kann, sondern auch in den Waschsalon und die Küche komme.

Es ist eine ziemliche Lauferei zum Computerladen (ein Kabel kaufen), zum Student Activities Building (Ausweis machen), zur Bibliothek (Notebook registrieren lassen) und zurück zum Wohnheim. Aber dann habe ich alles zusammen.

Als Catharina wieder kommt, fahren wir zum Supermarkt. Die Uni Dortmund stellt ausländischen Studenten ein Set mit den nötigsten Gegenständen zur Verfügung. Die University of Virginia nicht. Also kaufen wir Kissen, Bettdecken, Bettzeug, Topf, Pfanne, Besteck, Putzzeug usw. Es dauert den ganzen Abend. Als wir fertig sind, sieht das Zimmer schon fast wohnlich aus.

Donnerstag, 16. August 2007

Was macht man in Charlottesville?


Ich will ehrlich sein: Charlottesville ist nicht das, was man sich gemeinhin unter einer pulsierenden Metropole vorstellt. In dem kleinen Ort am Fuß der Blue Ridge Mountains leben rund 40.000 Menschen, plus weitere 20.000 Studenten, die während des Semesters hierher kommen. Zur Zeit ist die Stadt also in einer Wartehaltung. Alles Leben, alle Aufregende, alle Buslinien – alles startet zum Semesterbeginn in anderthalb Wochen.

In einer der zahlreichen kostenlosen Zeitschriften, die allerorts an den Straßenecken ausliegen, haben wir von der Impro Comedy Truppe erfahren, die an jedem dritten Donnerstag im Monat ihren Auftritt hat.
Impro Comedy bedeutet, dass eine Gruppe von Schauspielern mit den Stichwörtern, die das Publikum ihnen zuruft, eine kurze Szene spielen. Das kann sehr lustig sein, hat mitunter aber auch seine Längen. Für uns Fremdsprachler ist es nicht immer leicht zu verstehen. Dennoch ist es ein großer Spaß, vor allem, als die Schauspieler eine Szene in verschiedenen Dialekten spielt und dann einen deutschen Akzent versucht.

Am Morgen hatten die Nachrichten Regen angekündigt. Eine Falschmeldung, dachten wir, angesichts der brutal heißen Temperaturen am Nachmittag. Als jedoch die Impro Comedy Truppe ihre letzte Szene ankündigt, hören wir es: Donner und Regenprasseln, in den Fenstern zucken die Blitze. Auf den wenigen Metern bis zum Bus werden wir nass bis auf die Haut. Das Bemerkenswerte jedoch: Der Regen ist warm.

Mittwoch, 15. August 2007

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert...

...umso schlimmer ist es, wenn einer es offensichtlich nicht tut. Gut, man kann es nicht unbedingt einen „Plan“ nennen, ohne Vorrecherche hierher zu kommen und dann zu versuchen, eine möblierte, günstige Wohnung nah an der Uni zu finden. Trotzdem war es so gedacht.
In der Realität kostet eine solche Wohnung mindestens $ 800 im Monat – und dann wollen die Vermieter noch Sonderzahlungen, wenn man weniger als ein halbes Jahr mietet.

Ich habe lange gezögert, das Angebot für ein Wohnheimzimmer anzunehmen – immerhin ist es eine 6er-WG und fast dreimal so teuer wie ein Studentenzimmer in Deutschland. Doch wir haben keine Alternativen mehr. Die Zeitungsinserate sind abgegrast, alle Webseiten mit Angeboten durchsucht – ich muss zusagen.
Es hat keinen Zweck darüber nachzudenken, ob das die richtige Entscheidung ist – es ist nämlich keine. Ich kann nur das nehmen, was ich habe.

Ein Problem bleibt jedoch: Catharina kann nur drei Tage hintereinander bei mir übernachten. Die immer hilfsbereite Vicki Hawes beruhigt uns: Sie kenne so viele Leute, dass sie wen finden wird, wo Catharina die anderen Tage übernachten kann. Ein Abenteuer, aber eine Chance.

Dienstag, 14. August 2007

Christopher per pedes

Erster Tag ohne Auto – ein Fahrrad muss her! Den Gelben Seiten nach soll es vier Fahrradgeschäfte im Zentrum von Charlottesville geben. Weil ich nicht genau weiß, wo die Busse herfahren, laufe ich zu Fuß. Nach vier Stunden habe ich alle abgeklappert: 2 haben dauerhaft geschlossen, die beiden anderen haben nicht einmal mehr ein Ladenschild. Das war nichts.

Dennoch war es ein interessanter Ausflug, denn ich habe viel über amerikanische Stadtarchitektur gelernt. Allgemein bekannt ist ja, dass Amerikaner nicht sehr kreativ sind, was die Namensgebung ihrer Straßen angeht. Sie neigen dazu, die Straßen einfach durchzunummerieren. Das erleichtert dem Touristen die Orientierung, weiß er doch, dass beispielsweise zwischen 10. und 13. Straße 3 Blocks liegen – im Prinzip. Denn es gibt Ausnahmen – zum Beispiel wenn sich die Stadtväter bei der Namensgebung verzählt haben. Das verursacht Verwirrung, ist aber später nicht mehr zu ändern.

Richtig peinlich für eine Stadt wird es aber erst, wenn einem das zweimal passiert.