Sonntag, 30. September 2007

Picknick II

Und wieder gibt es ein Picknick, diesmal von Cliff Maxwell und Mary Bateman aus dem International Student Center.
Das Haus der Batemans liegt etwas außerhalb der Stadt mitten im Wald. Hinter dem Haus erstreckt sich eine Wiese, rund 500 Meter runter bis zu den Bäumen und einem kleines See. Von den über 100 Eingeladenen sind nur etwa 20 gekommen. Diesmal weniger asiatische Studenten, dafür mehr Franzosen. Der Effekt ist der gleiche: Große Gruppen aus dem selben Land sitzen immer zusammen und unterhalten sich unter sich in ihrer Sprache.
Ich komme mir weniger wie ein Gast vor als wie ein Kunde. Unterhaltungen mit den Gastgebern gibt es irgendwie nicht, sie setzen sich nicht dazu. Besonders Cliff Maxwell steht wie jedes Mal, wenn ich ihn sehe, etwas steif in der Gegend rum und lächelt. In seinem Facebook-Profil sagt er, er sei Buddhist. Vielleicht trainiert er deshalb dieses Grinsen...
Wir werden wie Kinder zum Spielen geschickt. Auf dem See steht ein Paddelboot, es liegen Angeln bereit, zudem Footballs, Fußbälle und Frisbees. Die wirft einer erst mal in den Baum. Und Scott, den ich in Ermangelung meines Buddys Laura wieder mitgenommen habe, zerlegt eine Angel.
Pappsatt geht es nach Hause. Die Sonne scheint noch, also setze ich mich raus und lese. Doch irgendwie ist mir langweilig, deshalb gehe ich nach kurzer Zeit wieder rein. In unserer Wohnung riecht es verbrannt. Es kommt aus meinem Zimmer. Ein Plakat war von der Wand gefallen und hatte sich auf meine Stehlampe gelegt, die ich angelassen hatte. Das Poster ist nun auf der einen Seite schon ganz verkokelt. Wäre ich länger weggewesen, hätte alles brennen können. Aber: Was der Fire-Marshall nicht weiß, macht ihn nicht heiß...

Samstag, 29. September 2007

Gewonnen!?

Zum ersten Mal findet ein Footballspiel am Abend statt, es wird also nicht so heiß werden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass Pittsburgh ein starker Gegner ist. Heute wird die ungewöhnlich lange Siegesserie von 3 Spielen zu Ende sein, das steht fest.
Umso größer ist die Überraschung, als die Cavaliers gleich im ersten Viertel mit 27-0 in Führung gehen. Und geradezu sprachlos sind die Zuschauer, als das Endergebnis schließlich 44-14 heißt. 4 Siege stehen inzwischen zu Buche, bei gerade einmal einer Niederlage. So unglaublich es klingt, aber in dieser Saison könnten die Cavaliers wirklich mal erfolgreich sein.

Freitag, 28. September 2007

Trinkspiele

Es gibt hier den Mythos, dass es für Alkohol in Deutschland keine Alterbeschränkung gebe. Alle bekommen immer einen ganz verklärten Blick, wenn sie von diesem Deutschland sprechen, von der besseren Welt hinter dem Horizont, wo es Alkohol für alle gibt. Und Autobahnen.
Mich schauen dann immer alle ganz ungläubig an, wenn ich sage, dass ich keine Trinkspiele kenne. Denn hier wird Alkoholtrinken immer mit irgendeiner Art Spiel verbunden.

Das populärste ist sicherlich Beer Pong. Dazu werden an den zwei Enden eines länglichen Tisches sechs Becher im Dreieck aufgestellt und halbvoll mit Bier gemacht. Auf jeder Seite des Tisches steht nun ein Team aus zwei Leuten, die versuchen, Tischtennisbälle in die Becher des anderen Teams zu werfen. Wird ein Becher getroffen, muss das gegnerische Team ihn austrinken. Offensichtlich ist dieses Spiel nicht dazu da, um schnell viel zu trinken. Es dauert ewig, bis alle Becher getroffen sind – und dann springt für jeden Spieler nicht mal ein Glas bei raus.

Donnerstag, 27. September 2007

Heiß-Kalt

Der Sommer hat noch kein bisschen an Kraft verloren. Es ist heiß und schwül. Trotzdem ist die Auswahl der richtigen Anziehsachen für den Tag recht kompliziert. Was man nämlich anziehen muss, hängt nicht nur von der Außentemperatur ab, sondern auch von den Kursräumen und der Länge der Kurse. Montags, Mittwochs und Freitags habe ich 50 Minuten im Großen Hörsaal in Wilson Hall. Da ist es einkalt, dafür aber nicht so lange. Dienstags bin ich in den Seminarräumen in der Clemons Library. Da ist es zwar nicht ganz so kalt, dafür dauert der eine Kurs aber zweieinhalb Stunden.
Die meisten Studenten entscheiden sich für Kleidung, die für draußen passt. Drinnen wird dann halt gefroren oder ein Pullover nur über die Arme gezogen (das verstehe wer will...). Ich – der ich ja immer friere – mache es eher andersherum. Ist aber auch nicht der Königsweg. So ist mir zwar draußen viel zu heiß, aber nach 2 Stunden Klimaanlage friere ich trotzdem.

Mittwoch, 26. September 2007

Office Hour

Die Midterm-Exams rücken näher. In 2 Wochen steht das erste an und ich bin ein bisschen nervös. Ich habe in meiner gesamten Uni-Laufbahn gerade mal vier Klausuren schreiben müssen. Die behandelten jeweils den Stoff mehrerer Semester, das war also immer stundenlange Klausuren mit wochenlanger Vorbereitung. Aber meine letzte liegt nun auch schon fast 3 Jahre zurück.

Ich gehe in die Sprechstunde von Craig Hayden, bei ihm habe ich den Kurs über Journalismus im Nahen Osten. Er hat gerade erst seinen PhD an der University of Southern California gemacht, dies ist sein erster Kurs. Prof. Hayden erwähnt jede Woche, wenn sie seine Sprechzeiten ändern oder er sie mal nicht anbieten kann. Und weil dann immer so viele interessierte Rückfragen kommen, war in mir der Eindruck entstanden, dass seine Sprechstunde rege besucht wird. Nach 4 Wochen Uni habe ich keine Ahnung, wo ich stehe. Also frage ich mal nach.

Er sitzt in seinem kleinen Büro zwischen allerhand unausgepackten Kisten, die Klimaanlage röhrt auf vollen Touren und er weiß eigentlich nicht, was er mir sagen soll. Mein Hausaufgabe von letzter Woche hat er noch nicht gelesen. Aber ich würde mich am Unterricht beteiligen und... „Vor kurzem haben Sie auch was ziemlich Intelligentes gesagt, irgendwas über Deutschland – ich weiß nicht mehr was, aber es war gut...“ Offensichtlich hat er vergessen, wie ich ebenfalls vor kurzem einfach mal irgendwas gesagt habe, nur um irgendwas zu sagen... Mir soll’s recht sein.
Was die Klausur angeht, ist er keine große Hilfe. Wenn ich aufpasse und die Texte lese, sollte es keine Probleme geben, die Klausur würde nicht so schwer. Das hatte ich in den übrigen Kursen auch zu hören bekommen.

Dienstag, 25. September 2007

Wahlfreiheit

Meine Sportschuhe haben ein Loch – auf der Oberseite. Als ich das bemerkte, fiel mir auf, dass die Treter inzwischen auch schon fast 4 Jahre alt sind. Die habe ich damals in Holland gekauft, seitdem habe ich keiner mehr in meiner Größe gefunden. In Charlottesville soll es einen Laden geben, der auch Schuhe in großen Größen hat. Ein Versuch ist es wert.

Tatsächlich enden die Standardgrößen auch hier zwei Nummern unter meiner. Doch der quirlige Verkäufer lässt nicht locker, durchsucht Regal um Regal und kommt schließlich mit drei Paaren in meiner Größe an. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals ein paar Schuhe für 35 EUR ($ 49,99) gekauft habe. Und ich kann man mich auch nicht erinnern, wann ich das letzte Mal zwischen verschiedenen Paaren wählen konnte. Das nenne ich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Montag, 24. September 2007

Creepy Christians

Die Christen hier sind echt auf zack, wenn es darum geht, neue Schäfchen für die Gemeinde zu gewinnen. Ich gehe über den Campus und denk mir nichts böses, da kommt dieses junge Paar mit Hund auf mich zu. Sie haben diesen Blick, den Touristen am Kölner Dom häufig haben, kurz bevor sie einen fragen, wo es denn hier zum Bahnhof geht. Sie sehen mich also etwas Hilfe suchend an und ich – guter Katholik, der ich ja nun mal bin – schaue zurück mit diesem Blick, der sagt: „Ich bin zwar auch nicht von hier, aber vielleicht kann ich ja trotzdem helfen...“

Dann schlagen sie zu: Ob ich nicht Lust hätte, am Sonntag in die Kirche St.-Nochwas zu kommen. Und als sie rausfinden, dass ich Deutscher bin, erzählen sie mir von einem Typen in ihrer Gemeinde, der mal von einem Deutschen Schäferhund gebissen worden ist und der ganz heiß darauf wäre, mich zu sehen.

Ich habe hier schon von Dutzenden verschiedenen Konfessionen gehört, das simple „Evangelisch“ vs. „Katholisch“ allerings noch nicht. Als ich meine Mitbewohner frage, wie viele Stilrichtungen sie kennen, dauert es sehr lange, bis wir alle beisammen haben. Der Unterschied, meint Mike, besteht vor allem im Essen. Die Methodisten bieten dabei das umfangreichste Angebot. Die erste Viertelstunde einer Messe sei eine Aufzählung all der „Free Food-Events“ der nächsten Tage. Als ich das letzte Mal in Deutschland in der Kirche war, gab es nur Oblaten. Aber wäre auch seltsam, wenn zur Eucharistie plötzlich halbe Hähnchen gereicht würden...

Sonntag, 23. September 2007

Picknick I

Mary Brown hat lange Jahre im International Student Center gearbeitet. Seit sie vor drei Jahren gestorben ist, laden ihr Mann und ihre Söhne jedes Jahr internationale Studenten auf ihre Farm zum Picknick ein.
Laura, mein „Buddy“, hat leider keine Zeit. Sie fährt jedes Wochenende zu ihren Eltern nach Hause und arbeitet da in einem Freizeitpark. Und weil sie im Ruderteam ist, hat sie unter der Woche eigentlich auch keine Zeit. Ich frage Scott, ob er mitkommen will. Ein Tag im Grünen und gratis Essen – da sagt er nicht nein.
Etwa 30 Minuten außerhalb von Charlottesville, inmitten grüner Wiesen, steht die kleine Farm. Sie wird nicht bewirtschaftet. Das Gebäude ist fast 200 Jahre alt und dient den Browns als Sommerferienhaus. Die Gute Nachricht ist: Mary Brown ist eines natürlichen Todes gestorben. Ihre Söhne sind schon erwachsen. Ich hatte etwas Sorge, kleine Jungs zu sehen, die beim Gedächtnis-Picknick für ihre Mutter anfangen zu weinen. Aber die schlechte Nachricht ist: Von den mehr als 100 Leuten, die eingeladen waren, haben nur rund 40 die Einladung angenommen. Einige werden vom Stress wohl aufgefressen, einige sind im Ramadan, ein paar haben wohl auch nicht verstanden, dass extra ein Bus bestellt worden ist. Das ist ein bisschen schade, denn die Browns haben sich ziemlich ins Zeug gelegt. Es ist massig zu Essen da, vor dem Haus stehen große Zelte mit Bänken und Tischen, hinter dem Haus steht eine Gruppe Dixie-Klos. Die kleine Gruppe wirkt etwas verloren auf den langen Bankreihen.

Die Browns-Söhne sind Zwillinge. Das hat mich etwas verwirrt. Der eine (oder war es der andere?) hat eine ziemlich interessante Karriere gehabt: Erst war er in der Friedensbewegung, ist dann nach in Indochina gegangen und hat doch die Geschichte der Region recherchiert. Nach seiner Rückkehr wurde er von einem Kongressabgeordneten abgeheuert, um als Experte für Südasien zu arbeiten. Und jetzt lebt er hier in Charlottesville.

Scott ist zum ersten Mal unter internationalen Studenten – und er ist beeindruckt. Er ist ein bisschen schüchtern und jetzt sprechen ihn wildfremde Leute an und tauschen Telefonnummern aus.

Ich habe ziemlich viel gegessen, zu viel wahrscheinlich. I can not more... Aber weil so viel da ist, müssen wir alle noch was mitnehmen. An mir bleibt eine Wagenrad-große Platte mit Tomaten und Mozarella hängen. In unserer Wohnung will die keiner, also schnappe ich mir am Abend ein paar Pappteller und klopfe an alle Türen im Wohnheim.

Samstag, 22. September 2007

American Football

Ein American Footballspiel dauert 4 x 15 Minuten – also dreieinhalb Stunden. Dazu gehört aber noch das „Tailgate“. Dieser urtypische amerikanische Brauch vereinigt die beiden Elemente, die die Kultur dieses Landes so sehr prägen: Barbecue und Autos. Also packen die Fans ihre Großstadtgeländewagen voll mit Grills, Sonnenschirmen, Stühlen und Kühltaschen, die größer sind als mein Kühlschrank. Und dann gibt es ein Picknick aus dem „tailgate“, der Heckklappe des Autos. Und jetzt erst wird mir als Europäer klar, warum Kleinwagen hier so einen schlechten Stand haben.

Mein Mitbewohner Mike ist leidenschaftlicher Footballfan. Seine Familie hat in der Nähe des Stadions einen Stellplatz auf dem Parkplatz der St. Marks Church gemietet. Hier treffen sich die Teshs alle zwei Wochen mit Freunden und Nachbarn und bereiten sich aufs Spiel vor. Mein Zitat des Tages bringt Mikes Vater als er Omeletts macht und dafür aufgeschlagene Eier aus dem Tetra-Pack nimmt: „Die schmecken viel besser als echte Eier!“

Allen Ankündigungen nach soll das Spiel gegen Georgia Tech das Ende der zwei Spiele währenden Siegesserie der Cavaliers werden. Zu gut haben die Fans noch die deutliche Niederlage im ersten Spiel vor drei Wochen im Gedächtnis. Und tatsächlich hat Georgia Tech schon nach wenigen Minuten den ersten Touchdown. Doch wer hätte geahnt, dass die Cavaliers daraufhin gleich drei hintereinander machen? 28-23 heißt es schließlich für UVA.
Hier sind ein paar Fotos vom Spiel. Leider werden das wohl die letzten sein, denn wie ich jetzt weiß: Es sind nur kleine Kameras im Stadion erlaubt. In Zukunft muss ich meine wohl zu Hause lassen.
Ich brauche dringend eine Lampe. Die kleine Funzel auf meinem Schreibtisch reicht beim besten Willen nicht. Als ich auf den Bus warte, hält ein Geländewagen neben mir. Zwei Männer aus New York fragen nach einem Restaurant, wo sie günstig und gut viel Fleisch essen können. Ich hatte mal von einem gehört, dass auf dem Weg zum Supermarkt liegt, also lass ich mich ein Stück mitnehmen. Doch dann wird es peinlich: Ich weiß, dass das Restaurant hier auf der Ausfallstraße Richtung Norden ist, aber ich kann es nicht finden. Also steige ich irgendwann kurz vor meinem Ziel aus und mache den beiden Mut: „Nur immer weiter nach Norden, das kommt schon noch...“ Würde mich echt mal interessieren, wie weit die letztlich gefahren sind.
Wenigstens bin ich sehr schnell sehr weit gekommen und finde eine bildhübsche Stehlampe für $10.

Freitag, 21. September 2007

Militärparade

In der Stadt, aus der ich komme, gibt es einen einzigen Soldaten, den Mann im Kreiswehrersatzamt. Hier laufen allenthalben Studenten in Wüstentarnuniform, Air-Force-Dress oder weißer Navy-Uniform über den Campus. Sie gehören zum „Reserve Officers’ Traing Corps“ (ROTC) der Universität. Gerade für Studenten aus finanziell schwächeren Familien ist das eine Möglichkeit, ihr Studium zu finanzieren. Nach dem Studium müssen sie eine zeitlang als Reserveoffiziere dienen, oder aber die halbe Zeit in den aktiven Dienst eintreten – sprich: in den Irak ziehen.
Ich bin in einer Welt groß geworden, in der die Kindergärtnerin eine Glockenstab als Waffe ansah und ich ihn deshalb beim Kinderkarneval abgeben musste. Soldaten, Krieg – alles bäh! Virginia ist Sitz der weltgrößten Marinebasis in Norfolk, dem größten US-Air-Force-Stützpunkt in Virginia Beach und alles in allem ein sehr konservativer Staat. Aber auch im außergewöhnlich liberalen Charlottesville hat das Militär keinen schlechten Ruf. Amerikaner haben nichts gegen Krieg, sie wollen ihn nur nicht verlieren.
Heute ist ein Gedenktag für die „Prisoners of War/Missing in Action“ (PoW/MiA), also für diejenigen, die nicht einmal tot nach Hause gekommen sind. Die ganze Nacht über hatte eine Ehrengarde im Amphitheater vor der Fahne patrouilliert, jetzt am Nachmittag gibt es eine Veteranen, Salutschüsse und Reden.

Kurz bevor es losgeht, spricht mich ein Kamerateam vom lokalen Sender NBC29 an. Die junge Journalistin will wissen, ob ich beim letzten Footballspiel im Stadion war und ob ich morgen auch hingehe. Dass ich nur geholpertes Englisch spreche, stört sie nicht. Also mache ich mit bei ihrer Umfrage.
Beim letzten Spiel war es unglaublich heiß, aber es gab nicht ausreichend Getränke zu kaufen – ob ich davon gehört habe. – Das hatte ich schon, es stand in der Zeitung.
Ob es denn morgen besser werden würde. – Keine Ahnung – Also noch mal: Ich fände das doch auch ganz schlimm, dass es nicht ausreichend Wasser gebe, oder? – Ich kann dazu nichts sagen, ich weiß es nur aus der Zeitung.
Sie lässt nicht locker. Aber: So billig kriegt sie ihre Antworten nicht!

Donnerstag, 20. September 2007

What’s it like to be a German?

Internationale Studenten wurden gesucht, ich hatte mich freiwillig gemeldet. Für was? Keine Ahnung!
Lisa Foster und ein älterer Mann mit Bart leiten einen Kurs über „World Culture and Politics“. Sie haben Menschen aus fremden Ländern eingeladen, damit die erzählen, wie es drüben ist. Neben mir sitzen eine Hong-Kong-Chinesin, eine „normale“ Chinesin, ein Franzose, ein Engländer, eine Haitianerin und ein Libanese.

Wir sollen erzählen, wer wie sind und wie es ist, aus unserem Land zu kommen. Der Libanese erzählt von dem Gemeinsinn, der allen Arabern innewohne, egal woher sie kämen. Die Hong-Kong-Chinesin sieht ihren Widerstand gegen China als gemeinschaftsstiftendes Element. Der Engländer, der Franzose, sie alle sprechen von Dingen, auf die ihre Nation stolz ist und was sie als Nation zusammenhält.

Ich kann mit der Frage nicht viel anfangen. Es ist nichts besonderes, aus Deutschland zu sein. In den Diskussionen in Deutschland sagen schlaue Leute immer, sie seien nicht stolz auf Deutschland (denn das wäre ja nicht ihr Verdienst), aber sie seien froh über Deutschlands Leistungen – wie die Verfassung oder den Rechtsstaat. Das versuche ich nun zu vermitteln. Aber eine Verfassung hat ja schließlich jeder.

Ich kann nichts aufzählen, was „uns“ von „den anderen“ unterscheidet. Hautfarbe? Sprache? Kultur? Wir sind eine Einwanderungsgesellschaft. Ich bin in dieser Runde der „Identitätslose“. Ich suche im Ausland keine anderen Deutschen, ich kann nicht sagen, was (jenseits der bekannten und falschen Klischees) typisch deutsch ist. Eine Studentin fragt mich, ob ich meine Nationalität verheimlichen will. Abgesehen davon, dass das mit diesem Akzent schwer sein dürfte – nein, aber es ist nicht das erste, das ich von mir erzähle. Denn vielleicht ist typisch deutsch, dass Deutschsein keine Rolle spielt. Ich mag, dass „wir“ nicht „wir“ sind.

Mittwoch, 19. September 2007

Werbung für Dortmund


Was ich hier mache ist ein Austausch-Programm. Das heißt, die Dortmunder Uni kann jedes Jahre genau so viele Leute hierher schicken, wie gleichzeitig Amerikaner von UVA nach Dortmund kommen. Das Akademische Auslandsamt hat mir und Anna, der anderen Studentin aus Dortmund, aufgetragen, auch ja genug Werbung zu machen.
Heute organisiert das International Student Center einen „Study Abroad Fair“, eine Art „Messe für Auslandsaufenthalte“. Wir haben uns für einen Stand angemeldet und erzählen Amerikanern von den Vorzügen der Uni Dortmund.

Tja... was soll man da erzählen?

Es gibt keinen logischen Grund, warum einer nach Dortmund kommen sollte. Es gibt keine Kurse in Englisch, sie müssen ein ganzes Jahr kommen und können nicht nur während der Sommerferien kommen – und Dortmund ist nicht halb so bekannt wie Berlin, Barcelona, Lyon, Paris und all der Quatsch.
Immerhin kann man innerhalb von 45 Minuten mit Bus und Bahn einen Ballungsraum von 9 Millionen Menschen durchqueren. Von den Autobahnen haben sie auch schon gehört und vom Bier. Das Wetter ist auch ein Pluspunkt, denn nach 7 Monaten Hitze wollen viele hier einfach nur Kälte. Die haben wir drüben genug.
Mit vielen Gratis-Süßigkeiten, einer Powerpoint-Präsentation und kleinen Videoclips über Dortmund, sammeln wir letztendlich eineinhalb Seiten mit Namen und e-mail-Adressen, die wir an die Uni Dortmund schicken können. Sie sind grundsätzlich interessiert, aber ich mache mir da nicht allzu viele Hoffnungen. Die Universität Jena bezahlt den Austauschstudenten sogar Geld, wenn sie kommen. Da hilft es auch nicht, dass es in Dortmund so eine familiäre Atmosphäre geben soll.

Dienstag, 18. September 2007

Nazis

Im Facebook gibt es eine Gruppe die heißt: „Daran erkennst Du, dass Du Deutscher bist“. Ein Punkt ist: „In Deiner Gegenwart fangen Leute immer an über Hitler und Nazis zu reden.“ Das ist wahr...

Ich sitze vor der Bibliothek und lese. Da komme ich ins Gespräch mit Eric, dem Japaner aus Kanada aus meinem Kurs über Journalismus im Nahen Osten. In der letzten Vorlesung gab es eine Diskussion darüber, dass arabische Journalisten in Bezug auf den Staat Israel keine objektiven Berichte mache. Denn beide Seiten abzubilden, hieße, eine falsche Meinung widerzugeben. Ich meinte daraufhin in der Diskussion, das sollte uns nicht so verwundern, auch im Westen gebe es schließlich Themen, bei denen wir – zurecht! – nicht beide Meinungen hören wollen, weil für uns die andere auf jeden Fall Unfug ist. Zum Beispiel verlangt keiner, dass wir Holocaust-Leugner zu Wort kommen lassen, weil wir uns über die Bewertung des Holocaust einig sind. Ein Mädchen aus Kuwait nuschelte daraufhin irgendwas, was ich nicht verstanden habe.
Eric fängt nun wieder damit an, er meint, das Mädchen habe den Holocaust geleugnet. Das könne sie ja ruhig tun, meint er, aber sie muss Argumente und Belege anführen. Ich erzähle von Eva Herrmann, die gerade vom NDR für ihre Nazi-Ausfälle gefeuert worden ist, und verteidige diese Entscheidung. In Deutschland lassen wir nicht zu, dass Geschichtsrevisionismus praktiziert wird. Ob wir denn keine freie Meinungsäußerung hätten, will Eric wissen.
Und jetzt kommt der Hammer: Da gibt es diesen Typ, den ich kaum kenne. Er war in einem meiner Politikkurse, die ich nur eine Stunde besucht habe. Er ist ursprünglich Kurde und grüßt mich immer mit „Hi, German kid!“ Er steht schon eine Weile dabei, während Eric und ich uns unterhalten, da fragt er, was ich über die „Aryan Race“, die „arische Rasse“ denke. Ich schaue ihn verständnislos an. Ja, meint er, man müsse den Ausdruck ja nicht im negativen Sinne gebrauchen, aber ich müsse doch wohl zugeben, dass sie existiere. Mir fehlen die Worte

Montag, 17. September 2007

Abreise

Nach 6 Wochen fliegt meine Schwester heute nach Hause. Es ist komisch, so ganz allein. Trotzdem will ich mich nicht beschweren, denn ich habe jetzt so unglaublich viel Platz in meinem Zimmer. Ich kann auch nachts aufstehen und ins Bad gehen, ohne auf wen draufzutreten.
Meine Mitbewohner wundern sich, dass sie uns in der ganzen Zeit nicht einmal haben streiten hören. Wir waren halt leise...

Sonntag, 16. September 2007

Landsleute

Um 8 Uhr morgens müssen wir den Mietwagen zurück zum Flughafen bringen. Von hier aus fährt kein Bus zurück und es ist auch weit und breit kein Taxi zu sehen. Ich frage ein älteres Ehepaar, die gerade Leute abgesetzt haben und wieder losfahren wollen, ob sie uns nicht bis zur nächsten Bushaltestelle mitnehmen könnten. Wo wir her seien? Als wir sagen, dass wir Deutsche seien, sagt er: „Los, einsteigen!“
Es sind nicht die einzigen deutschen Wörter, die Rolf Stout kennt. Seine Vorfahren, die Familie Staudt, kam 1750 aus Rothenburg op der Tauber in die Neue Welt. Er kennt die ganze Geschichte, wie sich ihr Name änderte, er war sogar schon oft in Rothenburg. Ich weiß nicht einmal die Namen aller meiner Urgroßväter und er fühlt sich immer noch ein bisschen als Deutscher, obwohl seine Familie vor mehr als 250 Jahren ausgewandert ist. Jedenfalls: Weil wir ja quasi Landsleute sind, fahren die zwei uns bis nach Hause.

Samstag, 15. September 2007

Ausflug nach Washington

Ich habe mich auch deshalb für Charlottesville entschieden, weil es so nah an Washington ist. 170 km, das erscheint nicht viel.
In der Realität ist die Distanz riesig. Ein Zugticket ist unverschämt teuer, auch die Buslinie langt kräftig zu. Zudem: Sowohl Zug als auch Bus brauchen fast drei Stunden für die Strecke und erlauben gerade mal 5 Stunden Aufenthalt bevor die letzte Linie abfährt. Wir mieten also ein Auto, was letztendlich so günstiger ist.
Doch auch so brauchen wir für die 110 Meilen fast 3 Stunden. Da bauen die Amerikaner diese riesigen Autos mit Monster-Motoren und auf der Straße dürfen sie keine 100 km/h fahren.

Arlington, der Soldatenfriedhof in Washington, ist allein in seiner Größe beeindruckend. So viele Tote. Endlose Reihen weißer Grabsteine, dazwischen größere Denkmäler. Ich entdecke Gräber von Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg und in Korea gekämpft haben, bevor sie in Vietnam gestorben sind. Das kann ich nicht verstehen: Wenn man doch einem Krieg überlebt hat, warum geht man noch eine zweiten? Oder gar einen dritten? Das ist doch bekloppt...
Wir laufen durchs Regierungsviertel von Washington. Ich kann unser Glück gar nicht fassen, dass nach den regnerischen Tagen der vergangenen Woche der Himmel heute so strahlend blau ist.
Vor dem Kapitol gibt es eine Demonstration. Sie protestieren gegen den Krieg, die Regierung und so. Und wir sind mittendrin, mehr als uns lieb ist. Die Kampagne heißt: Trag ein oranges T-Shirt als Zeichen des Protests. Ich trage mein oranges T-Shirt der University of Virginia, weil ich heute morgen kein anderes im Schrank hatte. Ich habe auch so schon genug Angst vor amerikanischen Polizisten. Als die anfangen, Demonstranten festzunehmen, gehen wir lieber weiter.
Auf dem Weg zum Weißen Haus sind wir irgendwo falsch abgebogen, deshalb dämmert es bereits als wir in der Pennsylvania Avenue ankommen. Den ganzen Tag über war der Himmel kristallblau, doch jetzt ziehen dunkle Wolken über dem Weißen Haus auf.

Freitag, 14. September 2007

American Party

Amerikaner haben es schwer. Wenn sie am Wochenende ausgehen, müssen sie entweder 21 sein – oder sich für $100 einen Ausweis kaufen, auf dem sie aus Florida kommen. Die große Mehrheit schaut in die Röhre. In viele Clubs, aber auch Bars, kommt man ohne Ausweis gar nicht erst rein.
Der Satellite Ballroom ist nicht der Ort, an den man gehen würde, wenn man die Wahl hätte. Aber hier erlauben sie jüngeren wenigstens den Eintritt – auch wenn die zwei große schwarze Kreuze auf die Handrücken gemalt bekommen. Die sind so hartnäckig, am nächsten Morgen im Bus kann man auf den ersten Blick sehen, wie alt die Leute um einen herum sind.
Amerikanische Parties starten um 10 – und innerhalb einer halben Stunde ist der Laden voll, denn pünktlich um 2 Uhr gehen die Lichter schon wieder aus. In dieser kurzen Zeit müssen Amerikaner dann all das machen, für das man anderswo vielleicht mehr Zeit hat. Deshalb wird auch bei der Kontaktaufnahme keine Zeit vergeudet. „Grinding“ heißt der Korpulationstanz, bei dem er eng hinter ihr tanzt und sein Becken an sie drückt.
Einige der Europäer hier sind recht unzufrieden mit dem Nachtleben. Sie bevorzugen Orte wie die X-Lounge Downtown, weil sie sich „europäischer“ gibt – was immer das heißen mag. Wie auch immer – ich bin gerade nicht in Europa.

Donnerstag, 13. September 2007

Die größte Party aller Zeiten

Wenn ich Leuten in Deutschland erzählte, dass ich in den USA studieren würde, haben mich immer alle vor den Wohnheimen gewarnt. Ein Haufen unreifer 19jähriger, Partys jeden Tag, Alkohol- und Drogenexzesse...
Ich wohne in Dillard. Das ist am südlichsten Rand des Campus. Es fahren zwar zwei Buslinien hier entlang. Aber im allgemeinen Bewusstsein gilt Dillard als „weit weg“. Wir haben Einzelzimmer, das ist der einzige Vorteil. Deshalb wird Dillard vor allem von „ruhigeren“ Studenten bevorzugt, also solchen wie meinen Mitbewohnern und Nachbarn. Die machen jetzt am Wochenende eher weniger. Da geht man Freitagabend schon mal Wäsche machen. Oder eine Hausarbeit schreiben. Oder Aufgaben aus der vergangenen Woche nachholen. Langweilig.

Seltsam ist auch: Der Haupt-Weg-Geh-Tag ist hier der Donnerstag. Gegen 22 Uhr ist es brechend voll in der Downtown Mall oder an der „Corner“, dem 500 m langen Streifen von der Rotunda in Richtung Osten. Dabei haben die meisten Leute hier am Freitag auch Kurse – nicht wie in Deutschland, wo man sich den Tag ja gerne mal freihält.

Mittwoch, 12. September 2007

Der wichtigste Kameramann der frühen 20er

Mein Englisch wird besser und besser. Diese langen Momente im Unterricht, wenn ich etwas sagen will, mich alle ansehen und mir das Wort nicht einfällt, werden kürzer und kürzer. Allerdings: Mit Eigennamen und Fremdwörtern habe ich noch Schwierigkeiten. Wenn der Dozent dann sagt: „Und das müssen Sie sich aufschreiben, denn das war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten im Filmbusiness der 20er Jahre:...“ Und dann sagt er einen Namen, der weiß Gott was heißen könnte. Ich habe aber inzwischen eine ziemlich gute Routine, bei meinen Nachbarn abzugucken.

Dienstag, 11. September 2007

Feuerwehrleute sind keine Helden

Vor einigen Jahren hieß es noch, dieses Datum sei auf ewig unvergessen. Doch schon sechs Jahre später ist der 11.September-Gedenktag nur eine Randnotiz.
Um kurz vor 9 Uhr gibt es eine kleine Gedenkveranstaltung im Amphitheater. Zwei Studenten – offenbar von irgendeiner Kirche, einige Polizisten und natürlich: Soldaten. Sie spielen die Nationalhymne, sagen ein paar Worte und der Polizeipfarrer hält eine Ansprache. Er redet vom „Gap“. Während alle vom Ort der Katastrophe weglaufen, rennen Polizisten in die andere Richtung, denn: Sie stehen im Gap. Der Gap, das ist seiner Meinung nach der Bereich zwischen Gut und Böse, die Grenze zwischen uns und denen, gegen die uns Polizisten verteidigen. Und er erzählt die Geschichte, wie sein Kollege einmal einem Verdächtigen gedroht habe, man könne sich ja prügeln. Aber dann würde er (der Polizist) gewinne, weil (merke!) er das Böse nicht gewinnen lassen kann. Er steht nämlich im Gap.
Und deshalb betet der Pfarrer, dass wir alle fest und mutig im Gap stehen.

Polizisten und Feuerwehrleute – die Helden von 9/11 – sie stehen alle im Gap. Und der Fire-Marshall stand heute in meinem Zimmer und hinterließ mir eine Mahnung. Ich hatte ungefähr jede denkbare Brandschutzregel ignoriert, die kahlen Wände mit Postkarten und Postern zutapeziert, den Eingang mit meinem Schreibtisch verkleinert und einen Toaster gekauft. Es hieß, der Fire-Marshall würde bei seiner jährlichen Inspektion nach dem Zufallsprinzip Zimmer aussuchen. Dass er bei 600 Zimmern allein in unserem Wohnheim ausgerechnet MEIN Zimmer kontrollieren würde, hatte ich nicht gedacht. Bis zur zweiten Kontrolle muss ich jetzt alles beseitigen. Doof.

Montag, 10. September 2007

President’s Dinner

President John T. Casteen III hat die internationalen Studenten an diesem Abend zu sich nach Hause auf Carr’s Hill geladen. Die Einladung ist sehr offiziell – ich muss eine förmliche Antwortkarte zurückschreiben, ob ich komme. Ich weiß nicht: Muss ich einen Anzug tragen? Dämliche Frage, ich habe ja keinen dabei. Oberhemd muss reichen.

Carr’s Hill ist – wer hätte es anderes gedacht? – ein Haus auf einem Hügel. Weiter Rasen, lange Auffahrt und ein Haus wie ein Museum: Gemälde, Tant und der Geruch von Jahrhunderten. Wohnt er wirklich hier oder ist das nur der Repräsentationssitz des Präsidenten? Viele, die es wissen müssten, meinen, er wohne hier. Da er sich an diesem Abend kein einziges Mal blicken lässt, lässt mich daran zweifeln.

Dafür ist alles da, was Rang und Namen oder einen ausländischen Pass hat. Wir studieren ja alle sehr unterschiedliche Sachen und wohnen nicht im selben Wohnheim, deshalb haben wir kein wirkliches Gruppengefühl. Daher ist der Abend super, um mit neuen Leuten Kontakt aufzunehmen – Studenten, aber auch anderen. Ich weiß nicht, wie viele Leute mir an diesem Abend angeboten haben, ich könnte mir ihr Auto ausleihen, wenn ich mal eins bräuchte.

Sonntag, 9. September 2007

Lernen und Fernsehen

In meinen Kursen werde ich mit Arbeit zugeworfen. Ich muss zwar nirgendwo wöchentliche Tests schreiben oder regelmäßig Essay einreichen, aber es ist ein Haufen zu lesen – und zu gucken. Ich mag Fernsehen. Aber 6 Stummfilme die Woche konzentriert gucken müssen – noch dazu welche, die bis zu 3 Stunden dauern – das ist hart.
Es ist erstaunlich, was Studenten hier alles machen und machen müssen. Jeder stöhnt über das Lesepensum, Meine Mitbewohner machen schon Nachtschichten, um alles zu schaffen. Gleichzeitig sehe ich so viele Leute in den Vereinen und Interessengruppen. Ich glaube, die schlafen einfach nicht und holen das dann während ihrer monatelangen Sommerferien nach.

Samstag, 8. September 2007

Go, Hoos, Go!

Mein Vorurteil über Football: Ein Haufen Männer stehen stundenlang auf dem Platz rum, diskutieren Spielzüge, stellen sich auf – nur um dann einige Sekunden zu rennen und sich gegenseitig umzuschmeißen.
Tatsächlich dauert ein Footballspiel sehr viel länger als es eigentlich dauert. 60 Minuten reine Spielzeit strecken sich an diesem Tag auf dreieinhalb Stunden. Und es ist heiß an diesem Tag. Da wir nicht wussten, wie voll es werden würde, waren wir schon um 10 Uhr im Stadion, obwohl das Spiel erst um 12 los geht.

Die Cavaliers (und irgendwie auch die Studenten an UVA) heißen „’Hoos“ (sprich „huus“ – nicht zu verwechseln mit „hoes“). Sie sind kein gutes Team, dafür haben sie eine lange Tradition. Das fängt bei der Fankleidung an: Man muss sich entscheiden zwischen orangen T-Shirts und dem – mehr traditionellen – Outfit. Das heißt für Männer Oberhemd und orange Krawatte und für Frauen Kleid und Perlenkette. Dazu kommen ein Haufen Lieder, die zu festen Ereignissen im Spiel gespielt werden: „First Down“, „’Hoo are you?“ oder – besonders beeindruckend – den „Good Old Song“ bei jedem eigenen Touchdown. 60.000 Menschen liegen sich in den Armen, schunkeln und singen:
„That Good Old Song of Wahoowa,
We'll sing it o'er and o'er.
It cheers our heart and warms the blood
To hear them shout and roar.
We come from old Virginia,
Where all is bright and gay.
Let's all join hands and give a yell
For dear old UVa.
WAHOOWA, WAHOOWA
UNI-V, VIR-GIN-I-A
HOO-RAH-RAY, HOO-RAH-RAY
RAY! RAY! U-V-A!
(zum hören, HIER klicken.)

Mein Mitbewohner Mike hatte mir zuvor auf der Playstation die Regeln und Standardspielzüge erklärt. Deshalb verstehe ich grundsätzlich, was vor sich geht. Dennoch: Es ist schwer dem Spiel zu folgen: In jeder noch so kleinen Spielpause setzt die Cavalier Marching Band ein und die Cheerleader hampeln rum – oft genug verpasse ich dann, wenn es weiter geht.
Dabei fordert das Spiel von den Fans jederzeit Einsatz: Singen, Klatschen, Rufen – ständig sind wir aufgefordert, irgendwas zu machen. Hinterher sind wir erschöpft als hätten wir selbst auf dem Spielfeld gestanden. Ein hart erkämpfter Sieg gegen Duke.

Freitag, 7. September 2007

Paint the Town Orange

Morgen ist das erste Heimspiel der Footballmannschaft. Nachdem die Cavaliers zum Saisonauftakt in der vergangenen Woche geradezu überrannt worden sind, ist Trainer Al Groh in der Kritik – wie wohl jedes Jahr. In der Zeitung rechnen sie aus, warum er noch nicht gefeuert wurde. Unter anderem deshalb, weil er laut Vertrag drei Jahre lang eine Lohnfortzahlung von $ 2 Millionen bekommen würde. Ähem... der Mann ist nur Trainer einer erfolglosen Collegemannschaft...!?

In der Downtown Mall gilt heute „Paint the Town Orange“. Geschäfte haben ihre Schaufenster geschmückt, überall laufen Leute mit orangen T-Shirts umher, am Abend spielt die Marching Band. Coach Groh und ein paar Schränke (bzw. Spieler) kommen auf die Bühne und reden was von „toller Unterstützung“ und „Duke besiegen“.
Der unumstrittene Star der Mannschaft ist Chris Long, Nummer 91. Er ist irgendwie in der Verteidigung aktiv. Ich kann mir nicht helfen, aber sein Name klingt weniger nach Footballspieler als nach Pornodarsteller.

Donnerstag, 6. September 2007

Neue Identität


Als jemand mit deutschem Pass habe ich ja eine gewisse Abneigung gegen plakative Rudelbildung. Also Flaggen, Hymnen oder T-Shirts, die sagen, dass ich zu einem Land, einer Kneipenmannschaft oder einer Uni gehöre.
Vielleicht liegt es am Chlor im Wasser, dass nicht nur meine Haare schneller wachsen, sondern ich auch dieses tiefe Identifikationsbedürfnis mit meiner Umwelt entwickle.
Also haben ich mich heute komplett neu eingekleidet. Vom „University of Virginia“-Pin, über Pullover und T-Shirts bis hin zur Mütze. Dabei habe ich mich bemüht, nicht zu viele Sachen in Orange zu kaufen. Orange ist zwar hier DIE Farbe an UVA, aber in Deutschland kann man es eigentlich nicht tragen – es sei denn man arbeitet für die städtische Müllabfuhr.

Mittwoch, 5. September 2007

Post von Larry


Larry Sabato – bzw. sein Assistent – hat mir eine Mail geschrieben. Sie hatten so viele Bewerber... und alle waren so qualifiziert... und es war so schwer, auszuwählen...
Ich bin raus. Schon schade.

Am Abend gibt es ein Barbecue – mal wieder. Das International Student Center lädt die Rückkehrer aus dem Ausland und die neuen Ausländer im Inland zu Essen ein. Es gibt – wen wunderts? – Hot Dogs, Burger und Bohnen. Und ein Quiz. Unser Tisch hätte beinahe verloren, weil die Australier in meinem Team mir nicht glauben wollten, dass die größte Insel der Welt Grönland ist. Die jungen Damen dachten, ihr Känguru-Land sei die größte Insel. Manche sind echt zu...

Dienstag, 4. September 2007

Was ist ein Assignment?

Ich musste für den Kurs „Geschichte des Dokumentarfilms“ für heute zwei Filme sehen. Mäßig spannend, alte Stummfilme über Eskimos (bzw. Inuit) und Menschen in Irland. In meiner Kursübersicht gibt es dazu ein Assignment, ein paar Fragen zu den Filmen, zu Ähnlichkeiten, Schnitttechnik usw.
Assignment heißt laut Wörterbuch soviel wie „Aufgabe“ – und ich habe das immer als eine Art Fragenkatalog gesehen, den wir beim Schauen im Hinterkopf behalten sollten für die Diskussion in der Stunde. Doch dann machte mich stutzig: Die Endnote besteht in diesem Kurs zu je einem Drittel licher Mitarbeit und Assignments. Sollte das nun gar etwas schriftliches sein?
Als ich gestern Abend gegen 23 Uhr nach Hause kam, meinte Rachel von nebenan: „Ja!“ Deshalb bin ich in aller Frühe aufgestanden und habe ein paar Seiten zu Papier gebracht.
Dumm nur, dass mein Werk keiner sehen will. Die Professorin stellt klar, dass es doch nur Leitfragen fürs Filmgucken sind. Was mich zu einer neuen Frage bringt: Was ist der Unterschied zwischen Assignment und mündlicher Mitarbeit?

Die ersten Mails vom Activities Fair sind eingetroffen. Über die Woche gibt es erste Infotreffen, bei denen Interessenten in der Regel mit gratis Pizza bestochen werden sollen. Ich war eh hungrig, also gehe zur Filmmakers-Society. Sie präsentieren ein paar beeindruckende Filme – in einem Making-Of zeigen sie, mit welchen Aufwand die produziert werden. Da kommen Kamerawagen zum Einsatz, LKW voller Equipment, Hollywood-Schauspieler werden bemüht und einmal sogar ein Kamera-Kran – für genau eine Einstellung im fertigen Film. Es ist der Wahnsinn.
Und nicht ohne Preis. $20 kostet die Mitgliedschaft pro Semester – ein üblicher Mitgliedsbeitrag für viele Vereine hier an der Uni.
Ich will wirklich gerne irgendwo was machen außerhalb der Uni. Aber ich bin, offen gesagt, erschlagen von der Auswahl. Ich kann mich nicht entscheiden.

Montag, 3. September 2007

Der Versuch eines Comebacks in die Politik

An UVA gibt es einen weitbekannten Professor für Politik, Larry Sabato. Wenn immer ein amerikanischer Nachrichtensender einen Experten zu einer politischen Frage braucht, hält Larry seinen Schnurrbart in die Kamera. Jeder (!) hat mir geraten, bei ihm einen Kurs zu belegen.
Und weil mir das jeder (!) geraten hat, hat sich wahrscheinlich auch jeder (!) für diesen Kurs angemeldet. Auf die 20 freien Plätze gibt es wohl mehr als 120 Bewerbungen. Denn tatsächlich mussten wir alle nicht nur einen Fragebogen mit bisher belegten Kursen, politischer Erfahrung und persönlichen Hintergrund ausfüllen, sondern auch ein Essay schreiben, warum wir zu diesem Kurs zugelassen werden sollten.
Larry Sabatos Kurs ist hart. Tonnenweise Literatur jede Woche, viel Arbeit und Treffen Montagabend von 19 bis 22 Uhr – oder auch mal Sonntagabend, wenn Larry am Montag zu CNN muss. Aber es verspricht spannend zu werden: Über das Semester soll eine Wahl zum US-Senat simuliert werden, inklusive Exkursionen nach Washington. Zudem habe ich selten einen Dozenten erlebt, der so viel Energie und Witz versprüht hat.
Der Kurs wäre schon cool – aber ich rechne mir keinen großen Chancen aus. Leute im vierten Jahr (ihrem letzten) haben Vortritt, davon sind allein mehr als 20 an diesem Abend da. In den nächsten Tagen werde ich Bescheid bekommen.

Sonntag, 2. September 2007

Flying Smirk

Die Abende hier sind lang und warm und von Zeit zu Zeit sitzen wir abends noch draußen vor der Tür, mit meinen Mitbewohnern oder mit den beiden Veganerinnen und Barack-Obama-Fans von nebenan, Rachel und Caitlin. Wir kommen irgendwie auf das Thema kleinwüchsige Menschen und dass die lange Zeit „dwarfs“ (Zwerge) genannt worden sind. Dwarf! Wie viele Jahre habe ich gedacht, „Zwerg“ hieße „smirk“? Als in der Schule ein ziemlich kleiner Typ aus meiner Klasse gestolpert ist und hinfiel, rief ein anderer laut: „Flying Smirk!“ Seitdem ist dieser Fehler fest in meinem Kopf. Seit dieser Woche gibt es in Facebook (dem amerikanischen Vorbild von StudiVZ) eine Gruppe „Flying Smirk“...
Solche Missverständnisse sind meine Schuld – nicht aber all der andere Unsinn, den ich im Englischunterricht gelernt habe. Zum Beispiel sind Schwarze nicht „coloured“. Niemals. Jetzt weiß ich: „coloured“ ist noch schlimmer als „negro“. Besonders bitter ist es, wenn ich versuche, mein bestes Englisch zu sprechen und idiomatische Wendungen auspacke. Mit dem Brustton der Überzeugung sage ich deshalb: „He was taking the mickey out of him“, was laut Englischbuch der 7. Klasse hieß: „Er macht sich über ihn lustig.“ Tatsächlich hat mich niemand verstanden und man erklärt mir, dass „mickey“ nur in einem Zusammenhang bekannt ist: „to slip someone a mickey“. Und das heißt so viel wie: „Jemandem etwas ins Glas mischen, damit man ihn/sie später vergewaltigen kann.“
Tja...

Samstag, 1. September 2007

Extra Curricular Activities

Heute veranstaltet unser Wohnheim ein Barbecue. Großartig! Ich liebe Grillen!
Aber nicht so wie die Amerikaner es machen. Ich meine, es dreht sich hauptsächlich um Fleisch, aber das ist OK. Nur: Die Amerikaner sind immer so unter Stress.
Als das Barbecue um 1 Uhr losgeht, werden große Wannen mit Hühnchen, Burgern, Bohnen und Nudelsalat aufgefahren, dazu literweise Softdrinks – und nach dreißig Minuten ist alles vorbei.
Man muss ja nicht wie die Franzosen 5 Stunden Raclette machen – aber 30 Minuten?
Am Nachmittag ist der bereits angekündigte Activities Fair. Jede der diversen Interessen- und Aktivitäten-Gruppen hat sich auf dem Platz vor den Bibliotheken mit einem Stand postiert. Es dauert rund 4 Stunden, bis wir die etwa 800 Meter Weg kreuz und quer über den Platz hinter uns haben. Es ist nicht nur brechend voll, jede Gruppe wirbt auch sehr offensiv für ihr Anliegen. Gleich zu Beginn will mich einer für irgendeine Kirche rekrutieren. Ich will nur weiter, also gebe ich meine Mailadresse. Das ist der Weg, wie es läuft: Man schreibt sich in eine Mailingliste ein und darf weiter. So schreibe ich mich an diesem Tag für diverse Kirchen und Parteien ein, Fecht club, Ruderclub, Cross-Country (was ist das eigentlich?), Running-Club, Ski-Club, das Frauen-Basketball-Team, die deutsche und die europäische Gesellschaft, die Gruppe zur Befreiung Tibets, zum Kampf gegen Leukämie, für Schulen in Uganda, die Filmmakers-Society, den Foto-Club, die jüdische Gemeinschaft und die Feuerwehr – als Gegenleistung dafür, dass ich ein Foto mit einem Feuerwehrhelm machen durfte. Am Ende zeichne ich noch für die jüdische Gesellschaft, um eine Flasche Wasser zu bekommen.
Meiner Mailbox droht eine Spam-Flut.