Freitag, 31. August 2007

Mein Abschied aus der Politik


Mein Kurs in amerikanischer Politischer Tradition ist ein Musterbeispiel für das Selbstverständnis des Fachbereichs Politik hier an der UVA. Nicht nur, dass wir uns regelmäßig in den historischen Gebäuden treffen und um den großen Tisch herum sitzen wie Gelehrte aus dem 19. Jahrhundert – jeden Freitag erwarten wir einen Gastredner, der mit großem Tam-tam seinen Vortrag hält. Das Thema heute ist die Verfassung des alten Athens im Vergleich zu der Spartas. Aha.
Eine Studentin kündigt die Rednerin an, alle müssen sich erheben, es ist sehr förmlich. Da sie Rednerin sehr leise spricht und ich direkt neben dem Ventilator sitze, verstehe ich kaum etwas. Und während ich so da sitze und ich diese unsäglich nervige Studentin sehe, wie sie pseudo-interessierte Fragen stellt, fälle ich einen Entschluss: Ich wähle den Kurs ab – und verabschiede mich damit auch von meinem letzten Politikkurs hier.

Ich habe zwar immer in den Bewerbungen für dieses Programm geschrieben, dass ich gerne Politik aus der amerikanischen Perspektive studieren möchte. Aber irgendwie... Der Gedanke, zu 95 % das selbe zu machen, das ich fast 4 Jahre in Dortmund studiert habe, nur um ab und zu mal eine „amerikanische Perspektive mitzubekommen“, schreckt mich ab.

Das Schöne am amerikanischen College ist, dass die Leute sich erst in ihrem zweiten Jahr entscheiden, was sie als Hauptfach nehmen. Bis dahin belegen sie einen bunten Mix an Kursen: Mathe und Politik, Chemie und Kunst, Ingenieurwissenschaften und Soziologie – und eine Fremdsprache.
Es gibt hier ein Programm, das nennt sich Media Studies. Es besteht aus Kursen in Journalismus, Theater- und Filmwissenschaften. Das reizt mich irgendwie mehr. Deshalb gehe ich am Nachmittag in einen weiteren Kurs „Kino als Kunstform“.

Am Abend steigt hier ein großes Event: Tom Deluca, weitbekannter Star-Hypnotiseur, gibt sich einmal im Jahr die Ehre. Unter all den Veranstaltungen, die in diesen Tagen stattfinden, ist dies ein absolutes Muss, so hat man mir gesagt.
Über eine Stunde hielt er etwa ein Dutzend Studenten unter Hypnose und ließ sie komische Sachen machen: Eine rief immer wenn er „Pennsylvania“ sagte „Who’s your daddy?“, der andere wurde zum fruit-lover und küsste Orangen. Sie mussten posieren wie Bodybuilder, Autofahren und wilde Tänze aufführen.
Zwischendurch wachten einzelne auf und mussten von der Bühne runter. Aber dennoch: Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass man das alles unter Hypnose macht. Die müssen das doch mitbekommen haben...

Donnerstag, 30. August 2007

An Ass on Facebook

Ihre Arbeit ist sozusagen „für’n Arsch“: Unsere beiden veganischen Nachbarinnen, Rachel und Caitlin, malen ein großes Plakat für ASS, die „Art Students’ Society“. An UVA gibt es geschätzte eine Million solcher Clubs, Societys und Associations, für Kunst, Rudern, die Befreiung von Tibet oder die freiwillige Feuerwehr. Nahezu jede erdenkliche Minderheit, jedes mögliche Anliegen, jede irgendwie vorstellbare Beschäftigung trifft sich in einem solchen Club. Am kommenden Samstag sollen sie sich alle präsentieren, um neue Mitglieder zu werben.
Und ich mal einen roten Delfin auf das Plakat für ASS.

Und mit diesem Plakat posiere ich nun sehr prominent in Facebook. Ich habe mich immer mit Händen und Füßen gegen StudiVZ gewehrt, aber um dessen amerikanisches Vorbild kommt man einfach nicht rum. Wenn man hier wen kennen lernt, werden keine Telefonnummern ausgetauscht – dafür müsste man ja was aufschreiben – man sagt: „Just add me on facebook!“ Und solange man dazu keinen Zugang hat, lernt man niemanden kennen.

Die Welt ist hier sehr online. Das hat eine Menge Vorteile. So habe ich hier noch nicht eine einzige Seite kopieren müssen, weil Dozenten Literatur grundsätzlich einscannen und auf die Kurs-Homepage stellen. Dozenten antworten auf Mailanfragen in der Regel binnen weniger Stunden, manchmal sogar unmittelbar. Aber mitunter ersetzt Internet und Mail auch die persönliche Kommunikation völlig. So wollte eine Studentin ein Problem schildern, weshalb sie die nächste Stunde verpassen würde, da entgegnet der Dozent, sie solle ihm lieber eine Mail schreiben.

Mittwoch, 29. August 2007

2. Schultag

Es geht weiter im fröhlichen Kursgucken, bereits um 9 Uhr morgens mit Amerikanischer Politischer Tradition. Das ist langweiliger als es klingt. Das einzige, das mich davon abhält, den Kurs sofort abzuwählen ist, dass er in den historischen Gebäuden nahe der Rotunda stattfindet, jenen also, die Thomas Jefferson selbst erbauen ließ hat. Es sind uralte Stühle, auf denen wir sitzen, an den Wänden hängen Ölgemälde von Jefferson & Co. und es riecht nach Museum.
Ich bleibe historisch und besuche den Kurs „Geschichte des Film“. Das ist mal spannend. Da ich nur ein Semester hier bin, werde ich nur Stummfilme mitbekommen, dafür stehen aber die großen Klassiker auf dem Programm, von Eisenstein bis Charlie Chaplin.
Ich tue mir noch ein paar andere Kurse an diesem Tag an und bin etwas verstört. Hier ist alles ganz anders als zu Hause in Deutschland. Das fängt an mit den Zeiten: Ein Kurs trifft sich 2½ pro Woche, das kann auf 1-3 Sitzungen verteilt sein. In der Regel gibt es eine Abschlussprüfungen (Final) und eine Halbzeitprüfung (Midterm), zusätzlich noch je nach Kurs Tests oder kurze „response papers“. Und nicht zu vergessen: Sehr viel zu lesen! 3-4 Bücher müssen im Schnitt pro Kurs angeschafft werden, zudem veröffentlichen die Dozenten seitenweise pdf-Dokumente, die ebenfalls gelesen werden wollen. Nicht dass ich mich vor der Arbeit scheue. Aber wenn ich den Herbst über hätte nur Bücher lesen wollen, hätte ich auch in Deutschland bleiben können.

Dienstag, 28. August 2007

1. Schultag

Ich bin 23 Jahre alt, war auf insgesamt 4 Schulen und 2 Universitäten (bis jetzt). Eine neue Uni, das sollte eigentlich kein Problem sein. Trotzdem bin ich nervös vor meinem ersten Kurs. Mein Englisch habe ich bislang nur ab und zu bemühen müssen, um ein Busticket zu kaufen, ein Motel zu buchen oder mich mit einem Franzosen zu unterhalten.
Dumm nur, dass mir der Typ auf der Treppe zum Kursraum meine Nervosität wohl ansieht. Er guckt und meint dann, ob alles klar sei. Und noch dümmer, dass er auch im gleichen Kurs ist. Kein guter Einstand.

Es ist ein wilder Mix, den ich mir an diesem Tag anschaue: „Medien im Nahen Osten“ (der Reiz diesen Kurs in den USA zu belegen, erklärt sich von selbst), „Politik in Westeuropa“ (kenne ich schon und die Professorin versprüht den Charme einer Schlaftablette), „Außenpolitik der USA“ (die Dozentin schreibt in der Kursbeschreibung: Wenn Sie diesen Text nicht verstehen, sind Sie vielleicht nicht schlau genug für den Kurs.) und „Geschichte des Dokumentarfilms“ (ein kleiner Kurs mit viel Filmegucken und viel darüber reden).
Ich bin total geschlaucht.

Montag, 27. August 2007

Eishölle

Draußen sind es über 30°, die Klimaanlage kühlt mein Zimmer jedoch auf deutsche Temperaturen runter. Doch für heute bin ich an den Schreibtisch gefesselt, ich muss meine Kurse wählen.
In Dortmund ist das einfach: Man geht einfach in die erste Stunde und ist drin. Hier läuft alles online. Studenten schreiben sich im Internet für Kurse ein, es gibt lange Wartelisten, denn die Amerikaner haben schon im Mai ihre Kurse gewählt. In den nächsten zwei Wochen, so heißt es, sei da aber noch viel Fluktuation, denn viele würden einfach alles wählen und dann Kurse wieder abgeben.
Ich wühle mich durch die Datenbank, lese Kursbeschreibungen und bastle mir was zusammen. Zwar noch keinen richtigen Stundenplan, aber zumindest suche ich mir für die erste Woche für jeden Tag 3-4 Kurse raus, in die ich einfach reingehe, um zu schauen, wie die sind.
Offiziell muss ich in diesem Semester 12 Credits erwirtschaften, das heißt 4 Kurse. Andernfalls darf ich im nächsten Semester nicht weiterstudieren. Da ich eh nur für ein Semester bleibe, kann ich diese Regel wohl sehr frei interpretieren...

Sonntag, 26. August 2007

Herzlich Willkommen zum Kindergeburtstag!

Neue Studenten an UVA haben im Sommer eine einwöchige Einführungswoche. Mit ihren Eltern reisen sie aus dem ganzen Land an, es wird ihnen alles erklärt und gezeigt. Wir ausländischen Studenten haben diese „Orientation“ heute. Wir lernen also wie wir uns für Kurse einschreiben und wie wir es trotz voller Wartelisten doch noch in die Seminare schaffen können; wir hören vom „Honor Code“ der Uni, der Abschreiben unter Strafe stellt, aber Petzen ausdrücklich vorschreibt; und wir lernen dass der International Student Coordinator ein komplexes Ritual unter der Dusche hat, um während der augenblicklichen Dürre in Albermarle County Wasser zu sparen.
Eine Führung über den Campus gibt es nicht, obwohl Teile der Uni sein Jahren zum Weltkulturerbe gehören. Dafür kann man mit einem gecharterten Bus zum Shopping-Center fahren, falls man noch Dinge für sein Zimmer braucht.

Am Abend gehen wir in die Newcomb Hall. Hier ist normalerweise unter anderem (eine) Mensa und verschiedenen studentischen Einrichtungen wie das University Program Council. Heute Abend ist der „Newcomb Hall Crawl“ unter dem Motto „Polynesien“. Es gibt gratis Eis und Zuckerwatte, eine Hüpfburg, Spiele und Karaoke, Schminktische und ein Maskottchen. Enrico, der Italiener, ist fassungslos und bleibt nicht lange.
Wenn man die Politik hat, dass im öffentlichen Raum kein Alkohol getrunken wird, müssen Partys eben anders aussehen, als wir sie in Europa gewöhnt sind. Das kann man gut finden oder nicht. Auf Uni-Partys in Deutschland stehen dann Leute mit dem Bier in der Hand, unterhalten sich über wasauchimmer und sind am Ende irgendwie angeödet. Hier organisieren alles die Studenten, es gibt so viel zu machen und alle haben gute Laune. Ich kann mir nicht helfen, aber ich mag das.

Samstag, 25. August 2007

Der helle Wahnsinn

Es waren dezente Zeichen, die ich nicht zu deuten wusste. Der Parkplatz sollte geräumt werden, hieß es. Die Busse würden nicht fahren, stand an der Haltestelle. Als ich am Morgen vor die Tür gehe, weiß ich warum: Move-In-Day.

Anders als in deutschen Wohnheimen, müssen amerikanische Studenten während der Semesterferien ausziehen. Dann werden sie neu zugeteilt und im Herbst ziehen sie alle am gleichen Tag wieder ein.
Was unglaublich klingt sieht auch unglaublich aus. Kolonnen vollbebackter SUVs schleppen sich die Straße entlang, Stoßstange an Stoßstange, emsig dirigiert von Dutzenden Polizisten. Entlang der Gehsteige entladen dann Väter, Mütter, Geschwister, Großeltern die Fracht, Kisten mit Wäsche, Teppiche, Stereoanlagen, Ventilatoren, Kühlschränke, Fernseher, Küchengeräte...
Es ist der helle Wahnsinn – und die 30°C morgens um 9 tun ihr übriges, um diesen Tag für alle unvergesslich zu machen. Helfer des Student Councils (sie nennen sich heute „Greeter“ oder „Super Greeter“) stellen Wasser bereit, verteilen Pläne und Willkommenspakete.
Es ist total bescheuert, alle an einem Tag einziehen zu lassen – aber ich liebe es!

Für die Mehrheit der Internationals sind – wegen Altersbegrenzung – Clubs und Bars dicht – und so ist unsere einzige Möglichkeit an diesem ersten Abend eine illegale Zimmerparty. Trinken im Beisein von jüngeren ist ebenso verboten wie Trinken bei offenem Fenster. In beiden Fällen, so die Leute von Resident Staff bei der Einführung am Abend, holen sie die Polizei.
Und so ist es wie früher im Schullandheim, wenn beim kleinsten Geräusch vor der Tür, plötzlich alle leise sind und ihr Bier unters Bett stellen. Das ich so was noch erleben darf...

Trotzdem ist unsere Party ein Fehler, denn wir hätten die wirklich wichtige Party fast verpasst. Die Fraternities schmeißen am ersten Abend traditionell Partys, deshalb ist die gesamte Rugby Road an diesem Abend eine einzige Partymeile. Mit ein paar Amerikanern machen wir uns auf den Weg. Doch schon nach dem ersten Haus voller Freibier und betrunkener 19jähriger blasen wir zum Rückzug. Eine unserer Begleiterinnen merkte plötzlich, dass Alkohol doch eine stärkere Wirkung hat, als sie gedacht hatte.

Freitag, 24. August 2007

Der erste Kontakt II

Die Stadt füllt sich langsam mit Studenten. Auch immer mehr Internationale Studenten treffen ein. Ich hatte in den vergangenen Tagen mal eine Mail an Adressen aus einer Rundmail geschrieben. Vor dem offiziellen Treffen am Sonntag, so mein Vorschlag, könnten wir uns doch vielleicht mal vorher irgendwo treffen.
So sind wir knapp 20 Leute, die an diesem Abend in der Downtown Mall zusammensitzen. Sie sind ja alle ganz nett – aber so jung!!

Ich habe mich in den vergangenen Tagen ein paar Mal gefragt, ob es sinnvoll war, so viel eher vor dem Semesterbeginn hierher zu kommen. Denn offen gesagt: Charlottesville ist nicht gerade der Ort, an dem der Bär steppt. Nachdem wir eine Wohnung gefunden und fast alles gesehen haben, ist es fast langweilig.
Auf der anderen Seite: Viele andere sind erst in diesen Tagen angekommen. Ihnen bleibt weniger als eine Woche, um sich einzurichten und die Stadt kennen zu lernen.

Aber eigentlich ist es sinnlos darüber nachzudenken, was ich beim nächsten Mal anders machen würde. Ich mache es ja nur diesmal.

Donnerstag, 23. August 2007

Erhöht die Studiengebühren!!

Bislang war es mir zu peinlich, sie hier zu zeigen, aber es muss sein: Meine Student-ID. Das Foto erinnert mich an das von Michael Jackson, das während seines letzten Prozesses 2003 kursierte. Aber ohne diese Karte läuft hier nichts.
Fast alle öffentlichen Räume im Wohnheim lassen sich nur mit der Karte öffnen. Sie ist meine Busfahrkarte und – nachdem ich ein Guthaben eingezahlt habe – mein allgemeingültiges Zahlungsmittel an der Uni. Im Buchladen, in der Mensa, im Copy-Shop, an jeglichen Automaten an den Waschmaschinen...

Sie ist auch meine Eintrittskarte für das Fitnessstudio. Oder sollte ich besser sagen: Fitnesstempel?
3 Basketballfelder, Gymnastikhallen, mehrere Räume mit Geräten und Gewichten, eine Empore mit mehreren Dutzend Fahrrädern, Laufbändern und Ergometern, eine Stadion-Laufbahn auf der Empore um die Basketballfelder herum – und nicht zu vergessen das Wettkampfschwimmbad im Keller.
Und all das wird auch rege genutzt. Das Resultat ist offensichtlich: Obwohl Amerika die dickste Nation der Welt ist, ist UVA die Insel der Glückseligen. Laut einem Zeitungsartikel haben die Studenten hier eines der höchsten Fitnesslevel des ganzen Landes.
Kann man argumentieren, dass das der Verbesserung der Lehre dient?

Mittwoch, 22. August 2007

Der erste Kontakt

Mein erster Mitbewohner zieht ein. Tyler ist gerade mal 20 Jahre und kommt aus Pennsylvania. Er ist Transfer-Student, hat also schon ein paar Semester an einer anderen Uni studiert. Also kein Erstsemester, der – endlich von zu Hause weg – das ganze Leben als eine einzige Party begreift.

Am Abend nehme ich ihn mit zur Corner, einer etwa 200 Meter langen Reihe von Bars entlang der West Main Street. Einige der anderen internationalen Studenten sind nämlich heute eingetroffen. Wir hatten uns zum Mittagessen getroffen und uns für den Abend verabredet.
Leider können wir gerade nicht dorthin, wo am meisten los ist – bis auf zwei ist nämlich keiner über 21. So müssen wir dahin, wo die Kellner es nicht so genau nehmen.

Treffen dieser Art können sehr anstrengend sein. Glücklicherweise hatten wir die Standardfragen (Alter, Heimat, Studienfach, blabla) schon vorher abgehakt und so klappt es erstaunlich gut. Es gibt keine peinlichen Pausen, wir kommen von einem Thema aus nächste. Es wird viel erzählt und viel gelacht.
Vielleicht ist der Grund einfach, dass jeder sehr daran interessiert ist, eine gute Zeit zu haben. Ich bin gespannt, ob das anhält.

Dienstag, 21. August 2007

Hurrikan-Saison

Das Wetter spielt zur Zeit völlig verrückt. Hatten wir in der vergangenen Woche noch an die 40°C – in den Nachrichten nannten sie das verantwortliche Hochdruckgebiet „Ring of Fire“, so leiden wir jetzt unter den Ausläufern der Hurrikan-Saison.
Manchmal ist den ganzen Tag über wolkenverhangen und kühl, dann kommt plötzlich die Sonne raus, um dann schlagartig den Himmel freizugeben für dicke, schwere Gewitterwolken, die die Straßen unter Wasser setzen und die Stadt verdunkeln. Nach einigen Minuten, wenn der Regen aussetzt und die Sonne die Straßen aufheizt, fühlt es sich an wie im Tropenhaus.
Angeblich wird das die nächsten vier Wochen noch so sein.

Montag, 20. August 2007

Kein Schul-Englisch

Es gibt eine sprachliche Besonderheit hier, die mir noch Schwierigkeiten macht. Die Menschen hier sagen nicht „Hello“ oder „Good Morning“, sondern immer „How are you doing?“ Das machen Freunde, die sich treffen, aber genauso die Kassiererin im Supermarkt, der Kellner im Restaurant oder Menschen, denen man im Wohnheim auf der Treppe begegnet. Was soll ich darauf antworten?

Neulich im Supermarkt habe ich es dann so gemacht, wie ich es in der siebten Klasse im Englisch-Unterricht gelernt habe. Als die Kassierein anfängt, meine Einkäufe zu scannen und dabei „How are you doing?“ murmelt, erwidere ich: „Fine, thank you. And you?“ Wir schauten uns einen Moment lang beide verduzt an, sie hörte auf, die Lebensmittel über den Scanner zu schieben, grummelte etwas und machte dann weiter.

Die Amerikaner mögen es wohl nicht, wenn man sie anschaut. Manchmal passiert es aber, da steht zum Beispiel ein Bauarbeiter an der Straßenecke und schaut, als ich vorbeigehe und zurückschaue. Plötzlich nickt er mir zu und fragt „How are you doing?“ Seitdem vermeide ich, Leuten ins Gesicht zu sehen, denen ich nicht erzählen will, wie ich mich gerade fühle.

Heute aber war es echt nicht meine Schuld. Ich hatte mir gerade meinen WLAN-Zugang für die Uni einrichten lassen und gehe mit gesenktem Blick über den Campus, da fragt mich plötzlich ein junger Mann in brauner Kutte: „How are you doing?“ Ich will schon rufen: „I didn’t stare!“, da fängt er ein Gespräch an. Er ist vom Bibelkreis und sie laden Studenten ein, zu ihren montäglichen Bibelstunden zu kommen. Ich winke ab, eher nicht, danke. Er guckt betroffen, es scheint, als zittere seine Unterlippe vor Trauer: „You don’t believe in God?“
Nach 5 Minuten Vortrag darüber, wie wichtig es ist, sich von der Sünde loszusagen, nehme ich seine Visitenkarte. Er lächelt wieder.

Ich habe jetzt übrigens einen todsicheren Plan, wie ich das „How are you doing?“-Problem lösen kann: Ich frage einfach immer zuerst!

Sonntag, 19. August 2007

On the Grounds

Ich habe es schon mal gesagt: Ohne die Universität gäbe es Charlottesville nicht. Die Uni dominiert den Rhythmus, die Wirtschaft und die Identität dieser Stadt. Straßen heißen zum Beispiel „Wahoo Way“ – nach dem Schlachtruf des Football-Teams, den „Cavaliers“. Auf allen Straßen, die zum Campus führen, ist das blau-orange „V“ der University of Virginia aufgemalt.

Thomas Jefferson selbst hat die Bauarbeiten an „seiner“ Universität damals überwacht. Auf seiner Terrasse auf Monticello hatte er einen Punkt, von dem er mit dem Fernrohr jeden Tag zur weißen Kuppel der Rotunda hinübergeschaut haben soll.
Die Rotunda ist der zentrale Ort „on the Grounds“ (es ist nicht üblich, „Campus“ zu sagen). Dahinter erstreckt sich eine große Wiese, entlang derer kleine Studentenappartements liegen. Diese sind traditionell den besten Studenten der höheren Jahrgänge vorenthalten und jeder begreift es als höchste Auszeichnung, hier wohnen zu dürfen.

Tatsächlich hat die Universität einen gewissen Charme. Mehrere Mensen über das gesamte Gelände verteilt, ganz zu schweigen von dem halben Dutzend Bibliotheken, die mit Unmengen an Computerterminals, Sofaecken und integrierten Cafés aufwarten können. Auch architektonisch können die Betonpaläste, die ich aus Bochum und Dortmund kenne, da nur schwerlich gegen anstinken.

Eine Reihe von Bildern der Universität, die ich über das Jahr mache, findet sich hier:

Samstag, 18. August 2007

Nudeln im U-Boot

Es ist ein langer, anstrengender Tag. Wir machen uns auf zum WalMart. Der ist ziemlich weit draußen, wir brauchen fast 90 Minuten bis dorthin. Aber dort soll es nicht nur kleine Mini-Kühlschränke fürs Zimmer geben, sondern auch allerhand anderen Kram den es im Supermarkt gestern nicht gab.

Und da wir nun endlich eine feste Bleibe mit Kühlschrank und Zugang zu einer Küche haben, kaufen wir auch Lebensmittel ein. Am Abend sieht mein Zimmer aus wie ein U-Boot, vollbepackt bis unter die Ecke mit Bagels im Regal, Wasserkanistern unterm Bett, Paketen mit Nudeln im Schrank...
Mehr Bilder von meinem Zimmer und dem Wohnheim gibt es hier:
Wir können es kaum erwarten, nach zwei Wochen etwas selbst zu kochen. Enrico, Austauschstudent aus Italien, gesellt sich dazu. Nudeln mit Tomatensoße, das ist zwar nach seinem Geschmack, nicht aber die Art, wie wir sie kochen wollen. Im Topf ist zu wenig Wasser, das Salz ist zu feinkörnig und das Öl nicht das teure aus Oliven, sondern das billige aus Sojabohnen.

Letztendlich ist es egal, denn die beiden Herde funktionieren nicht. Nachdem das Wasser über eine Stunde auf der Kochplatte auf höchster Stufe gestanden hat, kocht es immer noch nicht. In unserer hungrigen Verzweiflungen werfen wir die Nudeln in das warme Wasser – vielleicht dauert es so nur sehr, sehr lange? Nach einer weiteren Stunde sind die Nudeln immer noch hart. Zu blöd zum Nudeln-Kochen – das erinnert mich daran, wie ich es einmal geschafft habe, eine Dr.Oetker-Backmischung zu versemmeln, weil ich die Temperatur falsch eingestellt habe.

Freitag, 17. August 2007

Umziehen in ein neues Heim

Der Regen in der Nacht brachte nur wenig Abkühlung und schon vor 9 ist es wieder drückend heiß. Und ausgerechnet heute steht der Umzug ins Wohnheim an. Allein, denn Catharina ist den Tag über im Praktikum.
In aller Frühe hole ich den Schlüssel ab und rufe ein Taxi zum Motel. Die Uni bietet einen interessanten Service an: Wenn man sich verläuft, kann man ein Taxi rufen und die Rechnung später an die Uni schicken. No questions asked!
Das Taxi fährt mich nur bis zu Straßenecke und so dauert es eine Weile bis ich all unsere Koffer und Taschen in den dritten Stock und dann in die zweite Etage des Appartements getragen habe.
Als ich die Zimmertür aufschließe, bin ich schockiert. Ich hatte kein großes Zimmer erwartet, auch keine luxuriöse Ausstattung. Doch damit hatte ich nicht gerechnet
Das Zimmer ist winzig. Bett, Schreibtisch und Schrank passen gerade so hinein, dass man sich im Zimmer noch drehen kann. Die einzige Lichtquelle außer dem Fenster ist die kleine Schreibtischlampe.
Ich habe schon an vielen komischen Orten gewohnt. Ich möchte nur an das Wohnheimzimmer an der Sporthochschule in Köln erinnern, oder die Kellerwohnung in Siegen – von meinem Zimmer im Internat in Bonn ganz zu schweigen. Aber das hier übertrifft echt alles. Ich gebe offen zu: Der Gedanke, hier wohnen zu müssen, nimmt mir den Atem.

Aber es hilft nichts.
Die übrigen Wohnungen stehen fast alle noch leer, nur in einer treffe ich zwei Mädchen. Sie gehören zum „Resident Staff“, sind so eine Art Blockwart. Sie erzählen mir, wie ich online gehen kann und wo ich meinen Studentenausweis bekomme, mit dem ich nicht nur umsonst Bus fahren kann, sondern auch in den Waschsalon und die Küche komme.

Es ist eine ziemliche Lauferei zum Computerladen (ein Kabel kaufen), zum Student Activities Building (Ausweis machen), zur Bibliothek (Notebook registrieren lassen) und zurück zum Wohnheim. Aber dann habe ich alles zusammen.

Als Catharina wieder kommt, fahren wir zum Supermarkt. Die Uni Dortmund stellt ausländischen Studenten ein Set mit den nötigsten Gegenständen zur Verfügung. Die University of Virginia nicht. Also kaufen wir Kissen, Bettdecken, Bettzeug, Topf, Pfanne, Besteck, Putzzeug usw. Es dauert den ganzen Abend. Als wir fertig sind, sieht das Zimmer schon fast wohnlich aus.

Donnerstag, 16. August 2007

Was macht man in Charlottesville?


Ich will ehrlich sein: Charlottesville ist nicht das, was man sich gemeinhin unter einer pulsierenden Metropole vorstellt. In dem kleinen Ort am Fuß der Blue Ridge Mountains leben rund 40.000 Menschen, plus weitere 20.000 Studenten, die während des Semesters hierher kommen. Zur Zeit ist die Stadt also in einer Wartehaltung. Alles Leben, alle Aufregende, alle Buslinien – alles startet zum Semesterbeginn in anderthalb Wochen.

In einer der zahlreichen kostenlosen Zeitschriften, die allerorts an den Straßenecken ausliegen, haben wir von der Impro Comedy Truppe erfahren, die an jedem dritten Donnerstag im Monat ihren Auftritt hat.
Impro Comedy bedeutet, dass eine Gruppe von Schauspielern mit den Stichwörtern, die das Publikum ihnen zuruft, eine kurze Szene spielen. Das kann sehr lustig sein, hat mitunter aber auch seine Längen. Für uns Fremdsprachler ist es nicht immer leicht zu verstehen. Dennoch ist es ein großer Spaß, vor allem, als die Schauspieler eine Szene in verschiedenen Dialekten spielt und dann einen deutschen Akzent versucht.

Am Morgen hatten die Nachrichten Regen angekündigt. Eine Falschmeldung, dachten wir, angesichts der brutal heißen Temperaturen am Nachmittag. Als jedoch die Impro Comedy Truppe ihre letzte Szene ankündigt, hören wir es: Donner und Regenprasseln, in den Fenstern zucken die Blitze. Auf den wenigen Metern bis zum Bus werden wir nass bis auf die Haut. Das Bemerkenswerte jedoch: Der Regen ist warm.

Mittwoch, 15. August 2007

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert...

...umso schlimmer ist es, wenn einer es offensichtlich nicht tut. Gut, man kann es nicht unbedingt einen „Plan“ nennen, ohne Vorrecherche hierher zu kommen und dann zu versuchen, eine möblierte, günstige Wohnung nah an der Uni zu finden. Trotzdem war es so gedacht.
In der Realität kostet eine solche Wohnung mindestens $ 800 im Monat – und dann wollen die Vermieter noch Sonderzahlungen, wenn man weniger als ein halbes Jahr mietet.

Ich habe lange gezögert, das Angebot für ein Wohnheimzimmer anzunehmen – immerhin ist es eine 6er-WG und fast dreimal so teuer wie ein Studentenzimmer in Deutschland. Doch wir haben keine Alternativen mehr. Die Zeitungsinserate sind abgegrast, alle Webseiten mit Angeboten durchsucht – ich muss zusagen.
Es hat keinen Zweck darüber nachzudenken, ob das die richtige Entscheidung ist – es ist nämlich keine. Ich kann nur das nehmen, was ich habe.

Ein Problem bleibt jedoch: Catharina kann nur drei Tage hintereinander bei mir übernachten. Die immer hilfsbereite Vicki Hawes beruhigt uns: Sie kenne so viele Leute, dass sie wen finden wird, wo Catharina die anderen Tage übernachten kann. Ein Abenteuer, aber eine Chance.

Dienstag, 14. August 2007

Christopher per pedes

Erster Tag ohne Auto – ein Fahrrad muss her! Den Gelben Seiten nach soll es vier Fahrradgeschäfte im Zentrum von Charlottesville geben. Weil ich nicht genau weiß, wo die Busse herfahren, laufe ich zu Fuß. Nach vier Stunden habe ich alle abgeklappert: 2 haben dauerhaft geschlossen, die beiden anderen haben nicht einmal mehr ein Ladenschild. Das war nichts.

Dennoch war es ein interessanter Ausflug, denn ich habe viel über amerikanische Stadtarchitektur gelernt. Allgemein bekannt ist ja, dass Amerikaner nicht sehr kreativ sind, was die Namensgebung ihrer Straßen angeht. Sie neigen dazu, die Straßen einfach durchzunummerieren. Das erleichtert dem Touristen die Orientierung, weiß er doch, dass beispielsweise zwischen 10. und 13. Straße 3 Blocks liegen – im Prinzip. Denn es gibt Ausnahmen – zum Beispiel wenn sich die Stadtväter bei der Namensgebung verzählt haben. Das verursacht Verwirrung, ist aber später nicht mehr zu ändern.

Richtig peinlich für eine Stadt wird es aber erst, wenn einem das zweimal passiert.

Montag, 13. August 2007

Busfahren für Fortgeschrittene

Für die erste Woche hatten wir uns einen Wagen gemietet, einen silbernen Pontiac. Den müssen wir nun zurückgeben. Von nun wird alles etwas komplizierter, das Einkaufen, umziehen, Sightseeing. Wir sind recht zuversichtlich, dass es trotzdem klappen kann. Immerhin hat Charlottesville gleich 3 Bussysteme: eines von der Stadt, eines von der Uni und eine Gratis-Buslinie, die kreuz und quer durch die Stadt fährt. Wenn man einmal verstanden hat, dass nicht alle Haltestellen auf den Karten eingezeichnet sind; dass einige Busse auf einem Rundkurs fahren und nicht auf der gegenüberliegenden Straßenseite halten; und dass es nur bestimmte Punkte gibt, an denen man umsteigen darf, kann man es hier ohne Auto schaffen.

Sonntag, 12. August 2007

Besuch bei Tom

Wir versuchen uns als Touristen und fahren nach Monticello. Auf diesem Berg südlich von Charlottesville hatte Thomas Jefferson – seines Zeichens dritter Präsident der USA, Autor der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und Gründer der University of Virginia – sein Haus gebaut. Und weil Jefferson ein wichtiger Mann war und Architektur sein großes Hobby, gehört sein Haus zum Weltkulturerbe und ist eine der größten Sehenswürdigkeiten im Staat Virginia.
Interessanterweise ist Jefferson am 4.Juli 1826 gestorben – exakt 50 Jahre nachdem er „seine“ Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet hat. Das nenne ich Timing.

Das Haus auf Monticello ist von weitläufigen Gärten umgeben, in denen Jefferson versuchte, Pflanzen aus aller Welt zu kultivieren. Nicht immer mit Erfolg. Die zahlreichen Versuche, europäische Weinreben anzupflanzen, scheiterten grandios und sind mit ein Hauptgrund dafür, dass Jefferson am Ende seines Lebens hoch verschuldet war.
Für mich als Europäer absolut unglaublich sind die wunderlichen Tiere inmitten der Blumenbeete, wie zum Beispiel handtellergroße Schmetterlinge und Kolibris. Die kannte ich bislang nur aus dem Fernsehen.

Freitag, 10. August 2007

Dancing on a Friday Night

„Historic Downtown“ ist eine lange Straße aus rotem Backstein, voller kleiner Läden und italienischen Straßencafés (bzw. wie sich Amerikaner italienische Straßencafés vorstellen). An jedem Freitagabend im Sommer feiert Charlottesville hier im historischen Stadtzentrum. Im großen Pavillon am Ende der Straße spielt eine Country-Band, Bürgerinitiativen, kleine Händler und der Verein für Nierenspenden haben Stände aufgebaut. Nicht extra für heute errichtet, aber für uns wahrscheinlich die ungewöhnlichste Attraktion hier, ist die lange Schieferwand. Mitten auf der Straße steht die etwa 2 Meter hohe und rund 10 Meter lange Mauer, die man mit Kreide bemalen kann. Das „Thomas Jefferson Center for the Protection of Free Expression“ hat sie errichtet, damit jeder sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen kann. Auch ich sage nicht ohne Stolz: „I was here!“

Von Ferne klingt die Musik über die Wiese. Menschen lachen, es ist angenehm warm. Gegen Ende der ersten Woche sehe ich Charlottesville schon etwas entspannter. Hier ist die Stadt sehr viel sympathischer, als entlang der Ausfallstraße, auf der wir vor vier Tagen angekommen sind.

Auf dem Weg zurück nach Hause kommt es zu einem dramatischen Zusammenstoß. Offenbar verwirrt von den vielen Menschen und Lichtern trudelt eine Fledermaus direkt auf mich zu und hängt sich an meine Tasche. Heldenhaft starte ich wildes Gezappel und versuche mit ihr über Schallwellen zu kommunizieren. Da ich die Tonhöhe nicht ganz treffe, deuten die Umstehenden dies nur als spitzen Schrei. Die Fledermaus versteht mich trotzdem und lässt sich bereitwillig fotografieren.

Donnerstag, 9. August 2007

Geführte Tour und gute Nachrichten

Meine neues Handy klingelt, es ist Laura. Sie ist eine von über 40 Studenten in Charlottesville, die uns Internationals helfen wollen. Laura und ihr Freund nehmen mich mit auf eine Stadtrundfahrt. Ob wir in Deutschland auch das Lenkrad auf der linken Seite haben, wollen sie wissen, und wie schnell ich denn schon mal auf einer deutschen Autobahn gefahren bin. 190 Sachen bei Rückenwind und schräg auf den Tacho geschaut. Das beeindruckt sie, dafür beeindrucken sie mich mit ihrem Wissen über diese und jene Shopping-Mall. Wir fahren raus in die Wälder zum Stausee. Laura ist im Ruder-Team, hier baut die Uni gerade das neue Clubhaus. Im Schuppen stehen allerhand Boote. Ich muss an den AHS in Dortmund denken. Würden professionelle Ruderboote wohl zur Verbesserung der Studienbedingungen in Dortmund beitragen?

Um 17.26 Uhr bekomme ich eine Mail: Ich habe einen Platz im Wohnheim, ein Einzelzimmer in einer 6er-WG. Wir sind erleichtert.

Mittwoch, 8. August 2007

Überhebliche Europäer

Der Plan war einfach und nicht genial: Über den Atlantik fliegen, eine Woche im Motel wohnen, Wohnung suchen. Ich hatte zwar gehört, dass in manchen Städten astronomische Mietpreise verlangt werden (New York City, San Diego, Köln...), aber Charlottesville am Fuß der Blue Ridge Mountains zählte ich nicht dazu. Fehler! Zwei Tage Internetsuche, Telefonate und Wohnungsbesichtigungen zeigen: Es ist nahezu unmöglich, einen Mietvertrag nur für ein Semester zu bekommen, von einem möblierten Zimmer ganz zu schweigen. Und wenn, dann verlangen Vermieter für das Zimmer bis zu $ 650 im Monat. Die Stimmung ist nicht gut. Wir suchen zwar erst zwei Tage, aber uns gehen bereits die Optionen aus.

Große Probleme brauchen große Lösungen. Vicki Hawes ist gestählt von Fastfood und m&m’s und die Koordinatorin für private Wohnungsgesuche an der Uni. Ich bin nicht der erste Europäer, der meinte eine günstige Wohnung finden zu können. Aber ich bin netter als die Schweizerin letzten Monat. Es dauert eine knappe Stunde, in der Vicki auf zwei Telefonen gleichzeitig spricht und Dutzende Mails schreibt, dann bekomme ich einen Antrag auf ein Wohnheimzimmer – und eine 99 prozentige Chance auf ein Zimmer obwohl alle Fristen seit Monaten verstrichen sind. Ein Silberstreif am Horizont. Darauf erst mal ein Snickers!

Ich brauche eine amerikanische Telefonnummer. Nach einigem Fragen lande ich bei AT&T. Der Verkäufer erteilt mir eine Lektion in der Logik einer auf Konsum ausgerichteten Volkswirtschaft: Eine neue SIM-Karte für mein altes, deutsches Handy kostet $ 50. Wenn ich aber ein neues, amerikanisches Handy dazunehme, kriege ich sie für $ 40. Ich verstehe es nicht, aber nehme Tor 2.

Es ist immer noch unerträglich heiß – der Wetterbericht verspricht, dass es täglicher heißer und schwüler werden soll. Ohne Klimaanlage ist es kaum auszuhalten – doch der ständige Wechsel von heiß zu kalt hat ist zu krass. Bei über 40°C habe ich es geschafft, mir eine Erkältung einzufangen.

Montag, 6. August 2007

Now it goes loose!

Die Reise beginnt noch vor dem Morgengrauen. Um 5 Uhr schreit der Wecker. Warum nur müssen Flugreisen immer so früh sein?
Delta Airlines soll mich von Düsseldorf über Atlanta nach Charlottesville bringen. Mit dabei ist meine Schwester Catharina. Sie begleitet mich ein paar Wochen, um ein Praktikum dort zu machen. Das Personal beim Check-In ist unfreundlich. Eine
blondierte Frau mit spitz geschminktem Mund fragt uns unmögliche Dinge: „Wo haben Sie den Koffer gepackt? Haben Sie in die ganze Zeit beaufsichtigt?, Haben die Zeug von anderen Menschen da drin?“ Fängt man so Terroristen?

9 Stunden dauert der Flug nach Atlanta. Das Flugzeug ist alt, die Stewardessen auch. Der Pilot nimmt alles sehr locker, wünscht uns einen „good damned morning“ und stockt kurz, als er nachsehen muss, von welchem Flughafen er gerade startet.
Ich mache ein Foto von uns beiden, danach wird es mir verboten. Ich bin verschreckt.

In Atlanta riecht es komisch, so ein bisschen nach einem, der die Nacht über in einer Pommesbude geschlafen hat. Kann aber auch sein, dass das an uns liegt. Wir saßen in der letzten Reihe, direkt vor der Küche.

In einem winzigen Flugzeug geht es weiter nach Charlottesville. Beim Anflug ein erster Blick auf die Gegend: waldbedeckte Hügel, dazwischen einzelne Villen mit Pool und Tennisplatz. Auf dem Flughafen wird schnell deutlich: Alles dreht sich hier um die Universität. Die blauen Fahnen mit dem orangen „V“ hängen überall an den Wänden. Jedes Motel behauptet von sich, in der Nähe der Uni zu liegen. Kunststück, wenn die ein Viertel der Stadt ausmacht.

Mit dem Mietwagen fahren wir in die Stadt. Automatik-Getriebe sind gewöhnungsbedürftig. Das „Budget Inn“ wird unsere Bleibe bis Freitag. Es gibt Frühstück und gratis Internetzugang.
Amerika, ich bin da.



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